Karusselle der Macht
Zum Ende der Spielzeit noch einmal großes Kanon-Aufgebot in München, jeweils fast ohne aufdringliche Aktualisierung, dafür aber mit einem konzeptionellen Frische-Kick. Am Residenztheater hat Nora Schlocker für Schillers Königinnen-Duell «Maria Stuart» eine ungewöhnliche Besetzungslotterie vorgesehen: Per Zuruf entscheidet zu Beginn jeder Aufführung eine zufällig bestimmte Person aus dem Publikum, ob an diesem Abend Pia Händler oder Lisa Stiegler in der Titelrolle sterben wird. Jeweils die andere darf entsprechend als Elisabeth triumphieren.
Dagegen wird am Volkstheater in Kleists Lustspiel «Der zerbrochne Krug» der Schuldige klassisch ermittelt. Dafür deklariert Regisseur Mathias Spaan mit Hilfe einer provisorisch eingezogenen Dokumentarfilm-Ebene die aufzuklärenden Ereignisse als Rückblende und die Wahrheit als Konstrukt der Macht.
Hätte es schon damals Donald Trumps Definition alternativer Fakten gegeben, wäre Kleists Dorfrichter Adam wahrscheinlich zu einem glühenden Verfechter geworden, um seine Unschuld allem Anschein zum Trotz weiter zu behaupten. Ein Musterbeispiel schweren sexualisierten Machtmissbrauchs im Amt ist er sowieso, und im Grunde kann Kleists ödipales Lustspiel ...
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Theater heute Juli 2024
Rubrik: Aufführungen, Seite 15
von Silvia Stammen
«Ich sage es gern und mit dreckspfauenhaftem Augenaufschlag: Ich durfte 2018 schon einmal eine Laudatio auf Caren Jeß halten. Damals fiel es mir leicht, Caren für ihr Schräge-Vögel-Stück «Bookpink» zu loben, mit dem sie dann später auch an ebendieser Stelle großen Erfolg hatte.
Junge Frau, Du alte Mülheim-Häsin! Sechs Jahre später steht es mir nicht mehr zu, Dich...
Woyzeck steht da, alleine, verzweifelt, psychotisch. Die Mauern, die eben noch einen Raum ergaben, fahren um ihn zusammen und umschließen ihn. In den Wänden gibt es viele Türen, viele Wege, doch nun sind alle geschlossen. Woyzeck verschwindet im Kerker. Zuvor hatte er Marie stehen lassen, ihr seine paar Groschen Zulage zukommen lassen, doch sie will eigentlich...
Im Kafka-Jahr boomt Kafka auf der Bühne. Auch wenn es erst sechs Jahre her ist, dass Lilja Rupprecht das Romanfragment «Amerika» am Stuttgarter Schauspiel inszeniert hat – diesmal ist Viktor Bodó der Regisseur.
Auch jetzt wählt das Theater wieder den populärer klingenden Titel «Amerika» statt den von Kafka geplanten, viel aussagekräftigeren «Der Verschollene». Der...