Interesse an der Wirklichkeit
Krzyzstof Kieslowskis filmischer Zyklus «Dekalog» war der Versuch, die Zehn Gebote mit der polnischen Alltagswelt der späten achtziger Jahre in Verbindung zu bringen.
Wie sind die in Steintafeln gehauenen Moralgesetze, die der Bibel zufolge Moses einst auf dem Berg Sinai von Gott erhielt, in einer bröckelnd sozialistischen und doch zutiefst katholisch geprägten Gesellschaft noch zu verstehen? Ohne sich je über seine Figuren zu erheben, schlägt Kieslowski immer wieder überraschende Haken zwischen impliziter Kritik an den göttlichen Gesetzen (oder, wahrscheinlicher: Demonstration ihrer Über-Menschlichkeit) – etwa, wenn das Einhalten eines Gebotes zum Verstoß gegen ein anderes führt –, aber auch an der völligen Abwesenheit metaphysischer Konzepte, wie etwa seine Erzählung zum ersten Gebot zeigt, in der die naturwissenschaftliche Logik zum Gradmesser einer tödlichen Entscheidung für den eigenen Sohn wird.
Nuran David Calis, der sich schon in mehreren Theaterprojekten mit Glaubensfragen monotheistischer Religionen auseinandergesetzt hat, rückt pünktlich zur «Woche der Brüderlichkeit» am Staatsschauspiel Dresden die Tische zusammen. Allerdings tut er dies weniger, um verschiedene ...
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Theater heute Mai 2018
Rubrik: Aufführungen, Seite 34
von Eva Behrendt
Im Jahr 2014, unmittelbar nach der Annexion der Krim, wurde ich zu einer Konferenz nach Polen eingeladen. Die polnischen Intellektuellen und Künstler waren von den Krim-Ereignissen so schockiert, dass sie auf einen Russland-Boykott drängten: kein Besuch von russischen Festivals und Konferenzen mehr, keine Gastspiele in Russland. Ich habe diese Idee damals heftig...
Alkmene schreit. Sie kreischt, sie bäumt und biegt sich. Sie taumelt ein paar Schritte, von einer Seite zur anderen. Sie ist schier besinnungslos vor Verzweiflung, steht ihr Gatte Amphitryon doch gleich zwei Mal vor ihr – ohne dass sie wüsste, welcher der beiden Männer im grauen Anzug der Wahre, der Richtige ist. Und als sie es zu wissen glaubt und dem anderen ihre...
Es ist ein erhebender und ungewohnter Anblick an diesem grauen Märzsonntag: Ein Strom von Frauen, minütlich anschwellend, zieht sich durch die verwaiste Innenstadt von Bad Godesberg vom Regionalbahnhof zu den Kammerspielen. 350 Frauen versammeln sich im Theatersaal vor goldenem Glitzervorhang und silbernen Ballons, rund hundert weitere stehen noch auf der...