Ich lebe noch, Gott sei Dank

Ein Brief vom Dramatiker des Jahres

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Mein bester Thomas, ich sende dir Grüße. Hier gehen die Dinge ihren gewohnten Gang. Bombenterror herrscht, und das schon bald vier Jahre. Oder noch länger. Kommt darauf an, ab wann man zu zählen beginnt. Wahrscheinlich hat das gar nie aufgehört. Also auch nie angefangen. Keine Ahnung, was ich dagegen tun kann. Und deshalb bleibe ich zu Hause. Wir haben uns nett eingerichtet, obwohl die Umstände widrig und dieses Einrichten, ehrlich gesagt, ziemlich anstrengend ist. 

Oft denke ich, es könne nichts Schlimmeres, nichts Erdrückenderes geben als die eigene Biografie.

Es braucht einem dazu gar nicht schlecht zu gehen. Auch das Glück wird unerträglich, sobald es das eigene ist. Wir sollten deshalb eine eigene Biografie vermeiden. Oder eine fremde vortäuschen, was von den meisten Leuten bevorzugt wird. Wenigstens in unseren Tagen. Das kommt, glaube ich, nicht auf die Mode, sondern ganz auf die Person an. Persönlich mache ich mir nichts aus Kostümierungen. Es würde mir nie einfallen, mir einen Bart stehen zu lassen, bloß, damit mich die Menschen nicht erkennen. Ich würde auch mit Perücke und hinter einer Sonnenbrille erkannt. Und wenn nicht, so würde ich es mir einbilden, was letzten Endes ...

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Theater heute Jahrbuch 2005
Rubrik: Autoren des Jahres, Seite 88
von Lukas Bärfuss

Vergriffen
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