Himmel und Erde
Die Welt ist eine weiße Scheibe mit Absturzgefahr. Rausgebrochen aus einem Stück Himmel, das wie ein Heiligenschein über der Bühne schwebt (Bühne Claudia Kalinski). Alleinherrscher auf dieser Scheibe ist Minister von Walter (Moritz Dürr) als Stellvertreter des gottgleichen Präsidenten, der nie da ist, wie Sekretär Wurm (Oliver Simon) mit Blick nach oben anmerkt.
Hier rückt er die Blumenkübel und zerdrückt schon mal die zarten Pflänzchen im Vorgarten von Untertan Miller (Hans-Werner Leupelt), die dieser sofort brav neu zu pflanzen beginnt, anstatt gegen die Verhältnisse aufzubegehren.
Viel Emotionalität ist nicht zu spüren in dieser Welt. Der kammerspielartige Ton, auf den Daniela Löffner ihre Schauspieler meist verpflichtet, verhallt oft in den Weiten der riesigen Braunschweiger Bühne. Die Kombination von großen Entfernungen zwischen den Sprechenden und einem feinen, intimen Spiel lässt Szenen im Nichts versinken. Das Große Haus ist keine Studiobühne. Und so wird zur spannungsreichsten Szene ausgerechnet die eine, die nicht im Text steht: Wenn der impotente, sich nach Liebe sehnende Sekretär Wurm masturbierend zusieht, wie die jugendlich naive Luise (Rika Weniger) vom zum Tier ...
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Theater heute November 2011
Rubrik: CHRONIK, Seite 50
von Alexander Kohlmann
Was will er denn?, fragt sich nicht nur der junge Staranwalt, der diesen Aaron verteidigen soll. Eigentlich sitzt der antriebsarme Bursche daheim bei Papa und Mama ja wie eine Made im Speck, warum also hat er sich als Ort seiner Sitzblockade jetzt ausgerechnet eine Gefängniszelle ausgesucht? Gönnt der junge Mann sich gerade die erste Lebenskrise, oder weiß er noch...
Manche Sätze gehen einfach nicht auf Deutsch. Es sei denn, man hat schon ein halbes Bühnenleben hinter sich und kann sie derart tief empfunden vor sich hin näseln wie Peter René Lüdicke: «Was du dir eingelöffelt hast, das musst du auch wieder aussuppen.» Der ergraute Narr schaut seitlich über seine Schulter auf Susanne Böwe, die als seine Mutter Ekdahl mit kantigem...
Man betritt den Theatersaal und ist verstimmt: Da hängt ein riesiger Spiegel und soll uns allen Ernstes «den Spiegel vorhalten»? Geht’s noch? Dieser Eindruck relativiert sich, wenn der riesige, das Publikum spiegelnde Spiegel plötzlich geneigt wird: Der obere Teil droht auf das Publikum zu fallen, wodurch unten auf der Bühne freier, aber enger Raum entsteht, indem...