Heilbronn: Hyperaktive Apathie
Den Segen für seine Unterwerfung holt sich François direkt bei Edith Piaf ab: «Je ne regrette rien» lässt er den Spatz von Paris trällern, während er über seine Zukunft in der islamischen Republik Frankreich sinniert, über seine Aussichten auf eine äußerst gut bezahlte Dozentenstelle an der Sorbonne und auf drei Ehefrauen, gipfelnd in seinem Fazit: «Ich hätte nichts zu bereuen.
» Axel Vornams Bühnenadaption und Inszenierung des vor drei Jahren erschienenen und heftig diskutierten Romans von Michel Houellebecq unterstreicht die satirischen Aspekte der Geschichte, die im Frankreich des Jahres 2022 spielt und sich darum dreht, dass ein Wahlsieg des Front National nur durch einen Zusammenschluss aller anderen Parteien zu verhindern ist – weshalb ein muslimischer Kandidat zum Präsident gewählt wird.
Die dadurch einsetzende Islamisierung Frankreichs ist einerseits ein literarisches Spiel mit kollektiven Ängsten in Westeuropa, andererseits sarkastische Kritik: Bei Houellebecq sind die ersten und eifrigsten Kollaborateure mit der neuen Regierung ausgerechnet die zuvor äußerst islamkritisch aufgetretenen Rechtsintellektuellen, die hier eine Chance sehen, ihre Vorstellungen von einer ...
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Theater heute April 2018
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Andreas Jüttner
Eine goldene Parallelwelt, einen elitären Schuhkarton des Reichtums hat die Bühnenbildnerin Ramallah Aubrecht im Theater an der Ruhr in Mülheim geschaffen. Grandios realitätsentrückt bauschen sich die glitzernden Lamettafäden, wenn die Windmaschine im «Shitstorm» anspringt, ansonsten sieht der Bühnenraum aus wie ein vergoldetes Gefängnis: eine Kitschfalle,...
Nauru, einst Teil des Deutschen Reiches, ist eine verlorene Insel in der Südsee: 10.000 Einwohner, 1200 Meilen ist die nächste Siedlung entfernt, 30 Minuten dauert eine Inselumrundung, ein einziges Flugzeug fliegt Nauru an. Durch einen aberwitzigen geografischen Zufall lagerte sich hier vor vier Millionen Jahren Vogelkot zum kostbaren Düngemittel Phosphor ab – ein...
Der Start von Wilfried Minks’ Theaterlaufbahn lag im sprichwörtlichen Kleinstrollendorado, in Wurzen (Sachsen). Dort wurde der 1930 im 200-Seelen-Dorf Binai in Tschechien geborene und nach dem Krieg mit seiner Familie vertriebene Bauernsohn mit 17 Jahren «Stift», also Lehrling des Theatermalers am örtlichen Boulevardtheater: ein Saal mit 350 Plätzen und Premieren...
