Göttinnendämmerung

Robert Borgmann führt mit seiner «Athena» am Residenztheater die «Orestie» und ihre Vision einer weltlichen Herrschaft der Vernunft hart an den Rand des Abgrunds

Theater heute - Logo

Zwischen weltabgewandter Verstiegenheit und künstlerischer Radikalität liegt manchmal nur ein hauchfeiner Grat. Auf dem balanciert, in beide Richtungen durchaus absturzgefährdet, Robert Borgmanns «Athena» im Marstall des Münchner Residenztheaters. Statt wohlmeinender «Eumeniden», wie der letzte Teil der Orestie bei Aischylos überschrieben ist, hat Borgmann den Namen der Göttin in den Titel gerückt, die im Original den unseligen Kreislauf aus Mord und Rache unterbricht, indem sie beim abschließenden Scherbengericht mit einem weißen Stein für Orests Freispruch stimmt.

Doch dies wird in Borgmanns posttraumatischer Kunstwelt so nicht stattfinden. Die Urszene der Demokratie, mit der die Verantwortung für sein Tun, aber auch für die Organisation der Gesellschaft an den Menschen übergeht, ist der Sorge um sie gewichen, die in Satzfetzen aus Politikerreden von Steinmeier bis Trump schon vor Beginn akustisch den Raum füllt.

Am Residenztheater erfüllt sich damit zugleich ein Coup der Dramaturgie, alle drei Teile der «Orestie» in einer Spielzeit in drei Regiehandschriften und an den drei Spielstätten des Hauses aufzuführen. Den Auftakt machte Ulrich Rasches «Agamemnon», der bereits 2022 als ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute April 2024
Rubrik: Aufführungen, Seite 26
von Silvia Stammen

Weitere Beiträge
Erkenntnis und Verzweiflung

Die Theaterkritik von damals zu finden, war genauso schwierig wie damals die Suche nach dem Theater, in dem ein neuer Theatertext inszeniert wurde, den der Regisseur des Abends auch geschrieben hatte. Es war im November 1991 und auch deshalb so außergewöhnlich, weil sich das Ganze im pfälzischen Frankenthal ereignete. Dass es da eine zwar kleine, aber wohl doch...

Aus der Zeit gefallen

Bunker, unfertiger Rohbau, Grenzstation, Kriegsschiff: Ein genial assoziationsreiches, multifunktionales Bühnenbild hat Katja Haß ins Stuttgarter Schauspielhaus bauen lassen. Es fährt zu Beginn beängstigend direkt aufs Publikum zu. Look aus rohem Beton, abweisend, aber praktisch zu bespielen: oben eine Aussichtsplattform, innen eine steile Treppe, die ins...

Riskante Auseinandersetzungen

«Geboren bin ich in einem Grab, in einer Wiege werde ich sterben. Nun bin ich Merlin geworden, das allwissende alte Kind. Ein Entertainer, Zauberer, Erzähler. Verehrtes Publikum, lass mich dir meine Geschichte vom Sterben erzählen, damit ich nicht sterbe.» (Tankred Dorst, «Der Schauspieler und der Tod»)

Nun ist auch Ursula Ehler-Dorst am 26. Februar 2024 im Alter...