Göttingen: Die Stunde Null

Abdul Abbasi, Philipp Löhle «Bombe!»

Theater heute - Logo

An diesem Freitag hätten die Menschen die Züge noch überfüllen können, wie sie es jeden Freitag tun. Ich sollte nach Göttingen zur Uraufführung eines neuen Stücks mit dem interessanten Titel «Bombe!» reisen. Eingestellt hatte ich mich auf den üblichen Andrang im ICE, es gab aber Platz im Überfluss. Kein Problem, mindestens eineinhalb Meter Sicherheitsabstand zu halten. Vielleicht war das ja der Grund für eine scheinbar paradoxe Empfindung: Da schleicht sich ein Virus in unser Gemeinwesen ein und ist so unberechenbar, wie es nur sein kann.

Im ersten Moment sorgt es aber nicht für eine Wendung hin ins Dramatische, sondern für Entspannung. Mit der relativen Leere im ICE und auf den Bahnsteigen stellte sich schnell ein Gefühl von Entschleunigung ein, als reduziere alleine schon der Umstand, dass wir uns gegenseitig nicht mehr so auf die Pelle rücken, den Stress, den wir uns Tag für Tag zumuten. 

In Göttingen war dann das Bewegungsbild auf der Straße ein völlig anderes als gewohnt. Es gab schon diese weiträumigen Ausweichbewegungen angesichts von Entgegenkommenden. Das Bewegungsmuster glich einer etwas eckigen Choreografie mit dem Ziel: Größtmögliche Distanz gewährleisten, trotzdem ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Mai 2020
Rubrik: Chronik, Seite 53
von Jürgen Berger

Weitere Beiträge
Hallo, ist wer da?

hallo/hört uns jemand?/kann uns jemand», «ist wer/ist wer da?», «wir .../ – /wir sehn wir spürn nicht ob da wer» (…) «sind wir/sind wir allein?/da draußen»: Zu Beginn von Ewald Palmetshofers «Die Verlorenen» (Stückabdruck TH 12/19) reden verschiedene Stimmen, allesamt «eine*r» genannt, in die Dunkelheit des Zuschauerraums. So will es der Autor im Text, so...

Erschütterte Gewissheiten

Gemäuer wie Windows-Kacheln, schwebende Labyrinthe, gleißend gelbe Wüste mit trickanimierter Supernova-Sonne – diese Welt, durch die Frank wieder und wieder taumelt, scheint aus der Pionier-Ära der Computerspiele zu stammen. Eine Pixelwelt, die ihre algorithmische Gemachtheit nicht verschleiert. Frank erlebt sie wie in Trance. Computerstimmen sprechen zu ihm,...

Gruß aus der Küche

Die 1980er Jahre waren glamourös. Männliche Popstars trugen Lidschatten und Lippenstift, ohne auf die Idee zu kommen, sich als genderfluid zu bezeichnen. Das Fernsehen, damals noch Leitmedium, warf einen Blick in die Welt der Superreichen. Wenn «Dallas» ab 1978 lief, drängte sich die ganze Familie, von der Oma bis zum Enkelkind, vor dem Bildschirm, schließlich...