Glück ist ein Alibi
Mit bisher mehr als 200 Inszenierungen steht das melodramatische Kammerspiel «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» im Ranking der meistgespielten Fassbinderstücke ganz oben. Wenn heutzutage ein RWF-Drama auf den Spielplan findet, dann meist dieses; den Zusammenhang von Liebe und Kapital kriegt man eben selten so kompakt und anschaulich auf den Punkt gebracht wie in dieser lesbischen Dreiecksgeschichte aus dem Jahr 1971. Die Kölner Modedesignerin Petra von Kant verliebt sich in die viel jüngere Karin Thimm.
Diese lässt sich von Petra aushalten und als Mannequin aufbauen – um bei erster Gelegenheit zu ihrem Ehemann zurückzukehren. Die dritte Frau im Raum ist Petras Mitarbeiterin Marlene, die ihrer Chefin hündisch ergeben ist, was diese weidlich ausnützt. Das Stück lässt sich auch als Selbstporträt eines Künstlers lesen, der emotionale Machtverhältnisse nicht nur untersucht, sondern auch gelebt hat. Der französische Fassbinder-Fan Fran-çois Ozon hat 2022 in seiner Neuverfilmung aus der Petra deshalb einen «Peter von Kant» gemacht – was sehr gut funktioniert hat. Im Wiener Akademietheater kommt Fassbinder jetzt überhaupt gleich selbst zu Wort: Gegen Ende der Aufführung reenacten ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute November 2023
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Wolfgang Kralicek
Vor kurzem durfte ich an einigen Proben und Filmaufnahmen von Peter Weiss’ «Die Ermittlung» in der Regie von RP Kahl teilhaben. Auf der Basis des Theaterstücks entsteht gerade ein Kinofilm, der in einem Bühnensetting geprobt und gedreht wurde, nicht aber auf Mitschnitten einer Aufführung mit öffentlichem Publikum beruht. Jedes der elf Oratorien, die den Text...
Hauptsächlich im Boulevard gibt es das hübsche Untergenre der Hinterbühnenkomödie. Der Alltag im Theater wird hier zum Thema, mit all den kleinen Dramen zwischen Probe und Aufführung, mit Liebschaften und Verletzungen, manchmal auch mit unspektakulärer Ödnis. Und wenn die Hinterbühnenkomödie raffiniert ist, dann schafft sie es, das Geschehen hinter der Bühne mit...
Antú Romero Nunes geht wieder zurück zu den Wurzeln des griechischen Theaters. Indem er nur zwei Spieler:innen alle Figuren von Sophokles’ «Antigone» sprechen lässt. Indem er das Stück zum Volksstück macht, es immer wieder mit derbem Humor würzt. Und indem er – wie schon den Tschechowschen «Onkel Wanja» – eine schweizerdeutsche Fassung von Lucien Haug spielen...