Ganz’ große Show
Die Briefe von Felix Ganz gehen unter die Haut. Eben noch ein wohlhabender Teppichgroßhänd -ler und Fabrikant in Mainz mit internationalen Verbindungen, einer großen Villa am Rhein und rauschenden Festen, haben ihn die Nazis enteignet, entwürdigt und mit seiner Frau Erna in ein kleines Zimmer im Mainzer «Judenhaus» gegenüber der Gestapo-Zentrale verbannt.
Seine Briefe an Freunde und Geschäftspartner aus dem Jahr 1942 dokumentieren die immer bedrängteren Verhältnisse, die ständige Bedrohung und die immer verzweifelteren – letztlich vergeblichen – Versuche, von alten Bekannten Beistand und Hilfe zu erbitten. Am Ende stand die Deportation nach Theresienstadt, schließlich der Tod in Auschwitz.
In einem der Briefe hat Ganz eine detaillierte Skizze des engen Zimmers angefertigt – Fenster, spärliche Möbel, kleine Kochstelle – und als einzige Reminiszenz ans alte großbürgerliche Leben eine Biedermeierkommode aus Walnussholz, die auf verschlungenen Wegen 2019 im Mainzer Landesmuseum wiederentdeckt wurde. Der Londoner Regisseur und Urenkel von Felix, Adam Ganz, hat um sie herum mit Hilfe von ScanLAB Projects und ihrer 3D-Scan-Technologie LiDAR einen in grünlichen Linien aufscheinenden ...
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Theater heute Oktober 2023
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Franz Wille
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