Franz Wille: Die Bar gewinnt
Wer auf den verschlungenen Treppenhaus-Wegen ins Atrium des Züricher Schiffbaus, der ersten Station von Frank Castorfs «Amerika»-Reise, achtlos an der Schüssel mit kostenlosen Ohrstöpseln vorbeigegangen ist, dürfte seinen Hochmut bald bereut haben. Oben angekommen, in einem riesigen, von drei Balkonetagen umrahmten Innenhof, wartet nicht nur das großzügig aufgebaute Oberdeck eines Transatlantik-Liners, aus dessen zweistöckigem Schornstein es bedrohlich qualmt.
Sondern auch das serbische Bojan Kristik Orkestar aus sieben stämmigen Herren mit imposanten Zahnlücken und Backen wie Luftballons, die mit ihren Pauken und Trompeten einen zwar durchaus restmelodischen, dabei aber derart infernalischen Lärm veranstalten, dass es die Bewohner der Luxuspenthäuser auf dem Schiffbau-Dach gründlich aus den Designer-Sofas gehoben haben dürfte.
Erschwerend kommt hinzu, dass die robuste Zigeuner-Combo schnell die Angewohnheit entwickelt, aus Leibeskräften schreiende Schauspieler, die in rumpeligen Mehrfach–besetzungen durchs erste «Heizer»-Kapitel schlingern, auf dem fußballfeldgroßen Oberdeck aufzuspüren, um sie unter vollem Gebläse von den Planken zu pusten. Sogar körperlich widerstandsfähige, ...
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Theater heute Juni 2012
Rubrik: Aufführungen, Seite 11
von Franz Wille
Aachen, Theater
1. Kleist, Der zerbrochne Krug
R. Markus Kopf
Aalen, Theater der Stadt
15. Erpulat/Hillje, Verrücktes Blut
R. Marguerite Windblut
16. Jarry, König Ubu
R. Nikolaos Boitsos
Anklam, Vorpommersche Landesbühne
30. Bordel, Vineta – die Hexenwetter
R. Wolfgang Bordel (in Zinnowitz)
Annaberg, Eduard-von-Winterstein-Theater
30. O’Brien, The Rocky Horror Show
R. Ingolf...
«Faserland», Christian Krachts einst so aktuelles Zeitbild der neunziger Jahre hat inzwischen selber Patina angesetzt. Vieles von dem, was Kracht beschreibt, liest sich heute wie eine Geschichte aus einer anderen Zeit, in der nach dem Ende des Kalten Krieges in den Feuilletons vorschnell vom «Ende der Geschichte» gesprochen wurde und der 11. Septem– ber samt «Krieg...
Franz Wille Selma Spahic, woher kommen Sie?
Selma Spahic Meine Eltern sind Bosniaken, und ich wurde 1986 in einer kleinen Stadt an der Grenze zwischen Bosnien und Serbien geboren. Foca war auch die erste Stadt, die bei Kriegsbeginn von der serbischen Armee besetzt worden ist. 1992 bin ich mit meinen Eltern erst nach Serbien, dann nach Kroatien geflohen. Drei Monate...