Frankfurt/Main: Angeschmutzte Erlösungsfantasien
Übermut ist diesem Peer fremd. Er ist ein Träumer nicht aus Lust, sondern aus Not: Seine Träume sind verdrehte Fluchtversuche, sucht er doch im Eskapismus die Anpassung, im Ausbruch den Einbruch, sehnt er sich doch nach Zugehörigkeit und Heimkehr. Seine Großmannsfantasien sind ein fortwährendes Ringen um Liebe und um Anerkennung, das ebenso fortwährend scheitern muss.
Dabei hatte alles so gut angefangen! Aus der klinisch weißen Krankenstation war Peer Gynt ausgebrochen, per Leiter durch die Deckenluke geklettert und plötzlich in einer wilden Weite gelandet: Auf einer Lichtung, bedeckt mit Erde und umstellt von meterhohen Holzplanken. Im Halbdunkel hat er sich hier aufgebäumt, der große Mann, hat den nackten Körper mit Erde eingerieben und Urlaute ins Nichts gebrüllt. Hier ist er auf Gleichgesinnte getroffen, die ihn in ihre Mitte aufnahmen, andere nackte, erdbeschmierte Leiber. Und für einen Moment war er einer von ihnen. Für einen Moment war alles gut.
Am Schauspiel Frankfurt hat Theatermaler Andreas Kriegenburg Ibsens wilde Identitätssuche und Ausbruchsfantasie inszeniert. Eine Inszenierung, in der die Melancholie des Vergeblichen alles von Anfang an grundiert. Max Simonischek ...
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Theater heute August/September 2019
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Esther Boldt
Ich habe jetzt drei junge, unterdrückte, handlungsunfähige Frauen in einer Spielzeit gespielt, role models sind das nicht gerade.» Cennet Rüya Voß lacht. In Düsseldorf hat der Klassiker-Kanon mit voller Wucht zugeschlagen. Mit der 27-jährigen, 1,56 Meter großen Schauspielerin hat er allerdings eine Sparringspartnerin erwischt, die weiß, wie sie Contra gibt. Wer Voß...
Klingt entschieden endzeitlich, was sich Christoph Marthaler als Neuproduktion für die Ruhrtriennale vorgenommen hat: «Nach den letzten Tagen. Ein Spätabend». Die Musik dazu «erklingt in einem imaginären Parlament, in dem Abgeordnete dokumentierte Reden aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, der Gegenwart und der nahen Zukunft halten, die katastrophale...
Fast jedes «man» in diesem Text könnte wahrscheinlich ein «Mann» sein. Denn auch wenn hier eine Frau schreibt, ist diese Theaterwelt immer noch eine oft sehr männliche Welt – und nicht nur die. Dessen sind sich Stefan Pucher und die Volksbühne sehr bewusst, wie schon an Ankündigung und Programmheft für die Inszenierung von Wedekinds «Lulu» zu erkennen ist....