Frankfurt: Problemviertel-Blingbling

Eric de Vroedt «The Nation» (DE)

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Die Kamera saugt sich am Gesicht der Mutter fest, der eine Träne über die Wange rinnt, und springt zurück zu den fiebrigen Augen der Moderatorin, die schon wieder ihren nächsten Gast angeht, um ihm ein Gefühl, ein Zitat, eine authentische, zutiefst menschliche Regung zu entringen. An tatsächlicher Auseinandersetzung hat diese Polit-Talkerin à la Anne Will null Interesse, sie ist auf der Jagd.

Populäre Romanstoffe reichen offenbar nicht mehr aus, jetzt ziehen Thrillerserien ins Theater ein, um es mit neuen Stoffen zu versorgen und ästhetisch wie thematisch fest in der Gegenwart zu verankern – und natürlich auch, um Publikum zu locken. Der niederländische Autor Eric de Vroedt hat eine Miniserie fürs Theater geschrieben; «The Nation» umfasst ganz klassisch sechs mal 45 Minuten. In diesen klappert der Autor nahezu alles ab, was Leitmedien derzeit an gesellschaftlichem Konfliktpotenzial zu entnehmen ist: Islamophobie, Abschottung der Wohlhabenden unter Überwachungs-Hochtechnologieblasen, überforderte Polizist*innen, eine ausgeprägte gesellschaftliche Ignoranz und eine Politik, die die Polarisierung mit vorantreibt. Für das Schauspiel Frankfurt hat David Bösch die deutsche Erstaufführung ...

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Theater heute Juni 2019
Rubrik: Chronik, Seite 50
von Esther Boldt

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