Frankfurt: Ein bisschen Herzenswärme
Alkmene schreit. Sie kreischt, sie bäumt und biegt sich. Sie taumelt ein paar Schritte, von einer Seite zur anderen. Sie ist schier besinnungslos vor Verzweiflung, steht ihr Gatte Amphitryon doch gleich zwei Mal vor ihr – ohne dass sie wüsste, welcher der beiden Männer im grauen Anzug der Wahre, der Richtige ist. Und als sie es zu wissen glaubt und dem anderen ihre Verachtung ins Gesicht speit, irrt sie gewaltig.
Es ist der japsende Höhepunkt eines atemlosen Abends.
Theatermaler Andreas Kriegenburg hat am Schauspiel Frankfurt Kleists «Amphitryon» inszeniert und es in einen ungewohnt keimfreien Raum gesetzt (Bühne Harald B. Thor): zwei Röhren, übereinandergestapelt, betongrau und neonflackernd, Assoziationen von U-Bahn-Tunneln weckend, von Flughafengängen und anderen Transiträumen. Die Figuren sind hängengeblieben zwischen Vergangenheit und Zukunft, eingeklemmt in eine so ungewisse wie unerträgliche Gegenwart. Hier findet das doppelte Spiel statt, die unmögliche Heimkehr des Feldherrn und seines Dieners Sosias, denen niemand Geringeres als die Götter Jupiter und Merkur den ersten großen Auftritt nach dem Krieg stahlen – und, für eine Nacht und einen Tag, ihre Identität. Jupiter ...
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Theater heute Mai 2018
Rubrik: Chronik, Seite 58
von Esther Boldt
Im Kleinsten steckt das Allergrößte, das wussten schon die Mystiker. Also zum Beispiel die Unendlichkeit in der Zahl Null. Oder, anderes Beispiel, das größtmögliche Desaster im winzigen Einsilber «Krieg». Der betitelt eine epochale Suada, die Rainald Goetz dem Theater 1986 vor den Latz geknallt hat (um es gleich mal in der richtigen Tonlage auszudrücken). Krieg...
Zweifellos gehört es zu den gelungenen Inszenierungen der Lilienthal-Kammerspiele, den eigenen Abgang zu einer Querelle des Anciens et des Modernes zu stilisieren, mit sich selbst in der Rolle des unverstandenen Erneuerers und der Münchner CSU-Stadtratsfraktion als kleingeistig kläffenden Kultur-Dackeln mit beschränktem Quoten-Horizont. Gewiss muss es von außen...
«Empört euch!», dieser Appell war 2010 noch positiv besetzt, als Stéphane Hessel, UN-Diplomat und ehemaliger Résistance-Kämpfer, seinen gleichnamigen Essay veröffentlichte. Aus heutiger Sicht ist die Wortwahl ein ziemlicher Fail. Empörung ist in den sozialen Netzwerken zur Standardtonalität geworden. Im Normalfall verpufft sie dort, im schlechtesten führt sie zur...