Festival 2: Nichts zu gewinnen
Wann war man eigentlich zum letzten Mal tanzen? Ewig her, natürlich: Clubs sind in der Pandemie wahrscheinlich die Orte, die als allerletzte geöffnet werden, weit nach den Theatern. Aber immerhin das Hamburger Produktionshaus Kampnagel kehrt mit seinem jährlichen Live Art Festival gerade rechtzeitig zum Lockdown-Ende zurück zur körperlichen Kopräsenz, und gleich bei der ersten gezeigten Produktion darf das Publikum tanzen.
Unter freiem Himmel, vereinzelt über genau festgelegte Zonen auf der Kampnagel-Plaza verteilt.
Täglich veranstaltet der chilenische Choreograf Jose Vidal hier eine «Collective Movement Intervention»: 60 Minuten lang wiegen sich Körper zu suggestiven Beats, und Vidal orchestriert die kollektive Choreografie per Headset. Ein wenig hat das etwas von einem Selbstfindungsseminar, und Vidals Anleitungen erinnern unangenehm an Motivationstrainings, allein: Tatsächlich sehen die mal überraschend synchronen, mal etwas ungeschickten Bewegungsabläufe künstlerisch interessant aus, tatsächlich denkt die «Collective Movement Intervention» Tanz aus dem Geist der Immersion neu, tatsächlich entsteht für Augenblicke so etwas wie ein kollektiver Körper. Und wann hatte man so etwas ...
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Theater heute August/September 2021
Rubrik: Magazin, Seite 60
von Falk Schreiber
Erstmal bleibt alles dunkel. Wer nach sieben Monaten Lockdown möglichst ein paar Schauspieler live sehen will, muss sich noch 20 Minuten gedulden. Bühne und Zuschauerraum sind rabenschwarz. Nur Stimmen: Mal mehr von vorne oder hinten, mal von links oder rechts. Verschiedene Sprecher, wiederkehrende und einmalige, bekannte und unbekannte. War das nicht ein Schnipsel...
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Hören Sie mir beim Nachreden zu. Ich kann mir nichts erklären, was nicht andre schon erklärt haben. Ich kann kein Verhalten zeigen, aus dem man etwas erkennen könnte. Sie werden nie entscheiden können, was ich ursprünglich geschöpft, erfahren, errungen habe und was abgeschrieben und nachgeredet ist. Ich drehe das Licht an, schlage die Zeitung auf und schreibe...
Was die Kunst, was das Theater kann und soll – die Fragen scheinen nach der Pandemie einerseits beantwortet: den Blick weiten, uns unserem Alltag und seinen immergleichen Problemen entreißen, um uns mit den Fragen anderer Menschen konfrontieren, mit ihrem Wünschen und ihrem Begehren, nachdrücklich, ästhetisch herausfordernd. In einem festgelegten Zeitraum, den ich...