Familie, Gesellschaft und das All
«Si ce texte était un texte de théâtre», «Wenn dies ein Theatertext wäre» – so beginnt Édouard Louis’ schmales Büchlein «Qui a tué mon père?» («Wer hat meinen Vater umgebracht?»). Es folgen eine Art Regieanweisung, Vorschläge für ein Bühnenbild – ein Weizenfeld, eine leerstehende Fabrik, eine Schulturnhalle, kurz: ein Raum, der großen Abstand ermöglicht zwischen Vater und Sohn, um die es hier geht.
Die Idee, seinen teils an den Vater, teils an die französische Öffentlichkeit gerichteten Prosamonolog auf der Bühne zu zeigen, hatte der 1992 unter dem Namen Eddy Bellegueule als Sohn eines Fabrikarbeiters geborene Schriftsteller und Soziologe anscheinend von Anfang an.
Und doch ist es ein Coup, dass mit Édouard Louis nun der Autor persönlich als Protagonist einer Inszenierung von Thomas Ostermeier auf der Bühne am Lehniner Platz auftritt. Louis sitzt in Jeans und grauem Hoodie rechts am Schreibtisch hinter seinem Laptop, ein paar Meter entfernt steht ein leerer schwarzer Sessel, Platz des abwesenden Vaters, den er in den folgenden knapp zwei Stunden immer wieder in schönstem Hochfranzösisch ansprechen wird. Der sehr weite Raum, den Édouard Louis sich vorgestellt hat, entsteht jedoch ...
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Theater heute Dezember 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 13
von Eva Behrendt
Theater heute
Die Theaterzeitschrift im 62. Jahrgang Gegründet von Erhard Friedrich und Henning Rischbieter
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