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Am Münchner Residenztheater reanimiert Ivica Buljan Jean Genets Revolutions-Farce «Der Balkon» mit einer Dosis Punkrock und Mateja Koležnik findet neue Bilder für «Ein Volksfeind» von Henrik Ibsen

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Es ist eine sympathische Geste der Residenztheaterleitung, für diejenigen, die sich von den zeitgeist-geschliffenen well-made Plays im Spielplan nicht so recht angesprochen fühlen, eine gegenläufige Programmseitenlinie zu verfolgen, die mit offenem Blick von außen und ganz unterschiedlichen, häufig osteuropäischen Regiehandschriften eigene Akzente setzt und dabei auch die Avantgarden des letzten Jahrhunderts ohne Scheu vor Nostalgieverdacht noch einmal auf aktuelle Andockstellen hin abklopft.

Im Marstall hat sich nun der kroatische Regisseur und Dramatiker Ivica Buljan, der dort schon 2016 eine derb-funkelnde Version von Pier Paolo Pasolinis Film «Der Schweinestall» in Szene gesetzt hatte, Jean Genets «Der Balkon» vorgenommen und aus der karnevalistischen Paraphrase auf eine Gesellschaft im Umbruch ein lustvoll an die Ränder der Repräsentation ausschweifendes Vexierspiel gemacht.

1956 während des Algerienkriegs entstanden, in Frankreich damals umgehend verboten und ein Jahr später in London von Peter Zadek uraufgeführt, spielt das Stück auf salopp-subversive Weise die Simulacren der Macht ge­geneinander aus. Ein Bordell der Bilder ist das «Haus der Illusionen» der Madame Irma, in ...

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Theater heute April 2018
Rubrik: Aufführungen, Seite 23
von Silvia Stammen

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