Du liebst mich einfach nicht

Wenn Jon Fosse und Jossi Wieler aufeinandertreffen, hört sich das durchdacht an und sieht hübsch aus: «Starker Wind»

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Schon der erste Moment ist auf gute Weise irritierend. Während man in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin normalerweise auf der Tribüne Platz nimmt, sitzt man bei Jossi Wieler, der Jon Fosses neues Theaterstück «Starker Wind» inszeniert, auf der Spielfläche. Doch das begreift man erst so richtig, als sich der Vorhang lüftet und statt der Bühne der leere Zuschauerraum zu sehen ist. 

Etwas trostlos wirken die schlichten Stühle, die im Kontrast zu den kitschigen Wandgemälden stehen.

Dann fällt der Blick auf einen einzelnen, mitten im Raum sitzenden und von Bernd Moss verkörperten Mann, der eigentlich ebenfalls einer Generalüberholung bedürfte. Nicht nur wegen des beamtenhaften weinroten Anzugs, den er trägt, sondern auch wegen seiner sorgenzerfurchten Stirn und der stockenden, um jede Formulierung ringenden Sprache, die sich alsbald in den wildesten Spekulationen verliert. 

Ist das nun die Wohnung, in die er vor vielen Jahren mit seiner Frau gezogen ist – oder ist sie es nicht? Saß er damals vor diesem Fenster – oder vor jenem? Und gibt es das überhaupt: eine Zukunft und eine Vergangenheit?, überlegt er. 

Keine Frage: Diesem Mann aus der deutschsprachigen Erstaufführung ...

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Theater heute Januar 2022
Rubrik: Aufführungen, Seite 14
von Anna Fastabend

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