Doppelte Travestie
Ist George Orwells dystopisches Romanmärchen «Farm der Tiere» theatertauglich? Oliver Frljic hat jetzt am Stuttgarter Schauspiel eine eigene Bearbeitung auf die Bühne gebracht – unseren Zeiten angepasst, das Original eingeschmolzen, den Plot verändert. Der Stoff ist und bleibt so oder so aktuell, keine Frage. Es ist überzeitlich plastisch, wie genau Orwell das wirkungsvolle System von Propaganda in Gestalt von Fake News respektive alternativen Fakten analysiert. Wie unter der wiederholten Torpedierung durch Lügen die Gehirne des drangsalierten Tiervolks langsam weichgekocht werden.
Wissen ist Macht, ist eine altbekannte Weisheit der Aufklärung. Wer nicht in der Lage ist, das zu begreifen, glaubt am Ende sogar, dass zwar alle gleich sind, aber manche gleicher. Den gebildeten und sich weiterbildenden schlauen Schweinen, die nach der revolutionären Entmachtung ihres menschlichen Unterdrückers das Regiment auf der Farm übernommen haben, gehen alle auf den Leim: die Hühner, die Schafe, die Pferde, die Kühe, der Esel. Und sie müssen ackern. Der Aufstand gegen ihren Bauern-Schinder und seine Vernichtung hat ihnen nichts gebracht. Sie bleiben ausgebeutete, drangsalierte Untertanen. ...
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Theater heute Juni 2024
Rubrik: Aufführungen, Seite 20
von Verena Großkreutz
Angeblich kann im Sommer 2024 wieder viel ausgewählt werden: neue Politik z.B. in Ostdeutschland, Europa und den USA, auch zwischen internationalen Großereignissen im Sport kann gewählt werden. Kaum einer dieser Wahlen wird mit großen Erwartungen oder Hoffnung entgegengesehen, vielmehr sind vor allem Bedenken und Ängste zu vernehmen, selbst die Fußball-EM scheint –...
Theater heute Herr Tschirner, haben Sie die Übergriffe auf Politiker der SPD und Grünen in Dresden Anfang Mai überrascht?
Christian Tschirner Nein, nicht wirklich. Die Atmosphäre ist sehr aufgeladen.
TH Eine aufgeladene Atmosphäre muss ja nicht dazu führen, dass man jemanden zusammenschlägt. Man kann sich auch anders streiten.
Tschirner Natürlich. Aber die...
Unica Zürn beschreibt in «Dunkler Frühling» ein zwölfjähriges Mädchen, das sich aus Liebeskummer aus dem Fenster stürzt. 1970, ein Jahr nach Erscheinen der Erzählung, wirft sich die 54-jährige Schriftstellerin selbst aus dem Fenster und stirbt. Heute wirkt Zürns nur 64 Seiten kurze Erzählung wie ein beklemmender Ruf aus alten Zeiten. Überdeutlich beschreibt sie...