Des Waldes Wutrede
Kurz vor Schluss dieses langen Waldtages landen wir auf einer Lichtung. Hinter einem kaum sichtbaren, zugewachsenen Tümpel erhebt sich ein rot leuchtendes LED-Panel, umstellt von 14 Lautsprechern, und aus dem Tümpel steiget, als wir rund 200 Zuschauer:innen uns auf der Wiese niederlassen, eine gigantische, hungrige Mückenschar. Hektik bricht aus, letzte Insektenspray-Reserven werden appliziert, trotz schwüler 32 Grad die Flucht in luftdichte Plastikponchos angetreten. Erstaunlicherweise ebbt die Attacke ab. Dafür beginnt das LED-Panel zu texten.
Erst liefert es nur sachliche Beschreibungen des Offensichtlichen wie «Mitten auf der Wiese steht ein LED-Panel», dann wird es persönlicher: «Ich sehe euch.» Tja, wer spricht denn da? «Ich mag es, wenn ihr mich Natur nennt.» Ein kleiner Ritt durch die Menschheitsgeschichte beginnt. «Sah euch am Feuer Pläne schmieden, wie ihr von mir loskommt … und dachte mir, wo wollen sie denn hin?» «Die Ausrottung eurer Spezies ist eine Erlösung, sie ist ganz nah», «Macht, was ihr wollt», «Ich brauche euch nicht», wütet das Panel immer ungehaltener, begleitet von bösem Rauschen aus den Lautsprechern. Dass die Natur uns wie ein beleidigter Herrscher eine ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Oktober 2023
Rubrik: Aufführungen, Seite 14
von Eva Behrendt
Fast verwehte Spuren» nannten Albert Klein und Raya Kruk 1994 ihren Versuch, das Leben und die künstlerischen Wege des jüdischen Schauspielers Alexander Granach darzustellen, der 1933 emigrieren musste, in Warschau, in der Ukraine und Russland in jiddischer, polnischer und russischer Sprache Theater spielte, 1937 in die Schweiz ausreisen konnte und rechtzeitig vor...
Alles ist klar, noch bevor irgendetwas erzählt oder gespielt wurde. Selbst mir, zugezogen, ohne nennenswerte Kenntnis der Lokalgeschichte, ist klar, was am Ende dieses Theaterabends über den Bombenanschlag auf eine Gruppe Sprachschüler:innen in Düsseldorf im Jahr 2000 stehen wird: eine Mehrheitsgesellschaft, die schweigt und rasend schnell vergisst; eine Polizei...
Die Briefe von Felix Ganz gehen unter die Haut. Eben noch ein wohlhabender Teppichgroßhänd -ler und Fabrikant in Mainz mit internationalen Verbindungen, einer großen Villa am Rhein und rauschenden Festen, haben ihn die Nazis enteignet, entwürdigt und mit seiner Frau Erna in ein kleines Zimmer im Mainzer «Judenhaus» gegenüber der Gestapo-Zentrale verbannt. Seine...