Das österreichische Kettensägenmassaker
So einen Theatervorhang hat das Akademietheater wahrscheinlich noch nie gesehen: Der rote Samt ist über und über mit Dreck verschmiert. Das gilt aber auch für das Kostüm von Salome Pockerl, der rothaarigen Gänsemagd aus Johann Nestroys Posse «Der Talisman» (1840). Eigentlich ist die ganze Bühne (Patrick Bannwart) total versaut, und die Umgangsformen sind auch nicht zivilisierter.
Die halbstarke Dorfjugend verhöhnt Salome mit sexistischen Witzen und derbem Liedgut, sogar eine Locke schneiden sie ihr ab; ihre coole Reaktion lässt darauf schließen, dass sie sich an die Demütigungen längst gewöhnt hat.
Rauer, härter, schmutziger
Regisseur David Bösch lässt von Anfang an keinen Zweifel daran, dass er mit dem gewohnten biedermeierlichen Nestroy-Bild brechen will. Hier geht es rauer, härter, schmutziger zu: Willkommen im Lumpenproletariat. Bösch ist allerdings nicht der Erste, der am Burgtheater neue Nestroy-Töne sucht. 1998, noch zu Peymann-Zeiten, hat Frank Castorf in «Krähwinkelfreiheit» Szenen aus drei Nestroy-Stücken mit Gräuelberichten aus dem Jugoslawienkrieg und Jörg-Haider-Zitaten zu einer echten Wiener Melange vequirlt: aggressiv und schlampert zugleich. Und Martin Kusej hat ...
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Theater heute Juni 2013
Rubrik: Aufführungen, Seite 21
von Wolfgang Kralicek
Aids, Cholera, Zerstörung der Townships durch das Mugabe-Regime, Gewalt im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, Lebensmittelknappheit, Vertreibung weißer Farmer und Hyperinflation. So sieht das Bild aus, das die Medien seit der Jahrtausendwende von Zimbabwe, dem einstigen Hoffnungsträger Afrikas zeichnen, als dessen Kornkammer und demokratisches Vorbild der...
Es atmet. Wie eine Gänsehaut über den Rücken, so kriecht das leicht verstärkte Atemgeräusch der sechs Performerinnen in Young Jean Lees «Untitled Feminist Show» hinterrücks in die Ohren. Erst hört man sie nur, dann sieht man sie auch: Zu beiden Seiten der Tribüne schreiten die Frauen langsam auf die weiße Bühne des HAU 2 hinab und sind – nackt. Nicht nackt im...
Eigentlich sind sie uns sehr nahe, liefert ihre Kultur doch den Gründungsmythos des Abendlandes. Bei Ovid ist zu lesen, der in amourösen Angelegenheiten dauerbereite Zeus habe sich dereinst in einen Stier verwandelt und eine junge Frau entführt, die uns den Namen gibt: Europa, die Tochter des phönizischen Königs Agenor habe gerade am Strand gespielt, als der...