Das große Horváth-Räderwerk
Die späte Entdeckung von Horváths «Niemand» klingt selbst wie eine lächerlich bis tragisch verrutschte Horváth-Geschichte: 2006 wechselte ein unscheinbares 95-seitiges Typoskript in einer blauen Mappe bei einer Auktion des kleinen Pforzheimer Antiquariats Kiefer für 250 Euro den Besitzer. Niemand (!) hatte bemerkt, dass es sich dabei um die einzige Kopie eines verschwundenen Frühwerks von Ödön von Horváth aus dem Jahr 1923 handelt.
Es stammt vermutlich aus dem verschollenen Archiv des 1928 bankrott gegangenen Verlags «Die Schmiede», bei dem es Horváth 1924 eingereicht hatte.
In dieser «Schmiede» waren 1924 und ’25 unter anderem auch Kafkas «Hungerkünstler» und «Der Process» erschienen sowie Texte von Joseph Roth und Alfred Döblin; die Inhaber Julius Salter und Fritz Wurm galten zwar als umtriebig, erwiesen sich aber bald als nicht besonders seriös. Kurt Tucholsky hat ihnen ein alttestamentarisches Verdammungsurteil – «Friede ihrer Pleite» – nachgerufen, als sie von der verlegerischen Bildfläche verschwanden: «Aus irgendeinem Grunde ist der Kommissionär von Künstlern häufig nicht ganz stubenrein, und da gibt es alle Arten. Am verächtlichsten erscheint mir die Neuberliner Nummer: ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Juni 2017
Rubrik: Das Stück, Seite 20
von Franz Wille
In der kalifornischen Wüste steht eine junge Frau und blickt zum eleganten, modernistischen Bungalow hinauf, der oben in den Felsen gebaut ist. Plötzlich explodiert das Gebäude. Aus immer neuen Perspektiven wiederholt sich diese Explosion, zuletzt als Detailstudie des Interieurs und in Zeitlupe. Den Kleiderschrank erwischt die Druckwelle von hinten: In grotesker...
Gewissen gegen Gesetz, der Einzelne gegen den Staat - das sind die Kernthemen von Sophokles’ «Antigone». Einen anderen Schwerpunkt wählt Anna Bergmann in Karlsruhe: Sie setzt an bei der alptraumhaften Familienhistorie der Protagonistin (Antigone und ihre drei Geschwister entstammen dem Inzest zwischen Ödipus und seiner Mutter) und rückt die blutige Vorgeschichte...
Am Anfang war die Fehlbeleuchtung. Ein fahriges Flackern, ein irrendes Licht. Helle Flecken, die dem konturlosen Dunkel der Weltbühne abgerungen scheinen, sich bei aller Zufälligkeit doch ordnen und damit so etwas wie den Beginn einer Zeitrechnung markieren. Den Beginn einer Geschichte allemal, in der das nordfranzösisch-belgische Duo Halory Goerger und Antoine...