Berufsstand in Gefahr
Theater heute Die Akademie der Künste hat kürzlich in einem Offenen Brief dringend für den Erhalt des Hörspiels in den öffentlichen Rundfunkanstalten plädiert. Was ist da los, warum ist das Hörspiel als solches in Gefahr?
Kathrin Röggla Es beginnt damit, dass der neue Vorsitzende der ARD Kai Gniffke vier Zentralisierungsvorhaben angekündigt hat, und zwar im Gesundheits-, Verbraucher-, Klimaund im Hörspielbereich, was schon absurd klingt, weil es sich beim Hörspiel um eine Gattung handelt.
Nun gibt es bekanntlich in der föderalen Bundesrepublik, unter dem Dach der ARD, verschiedene Rundfunkanstalten, die bisher alle über eigene, gewachsene Hörspielredaktionen verfügen. Die alle zu zentralisieren, wäre ein bisschen so, als würde man alle Stadttheater zu einem einzigen zusammenführen. Hinzu kommt, dass dieser Prozess der Neustruk -turierung bislang völlig intransparent ist und ohne Mitsprache der Beteiligten abläuft.
TH Wo steht das künstlerische Hörspiel überhaupt? Ist das im Zeitalter der Podcasts überhaupt noch eine aktuelle Kunstform?
Röggla Die Gattung Hörspiel hat zu Unrecht immer noch ein bisschen den Geruch der 1950er, 1960er Jahre. Denn inzwischen umfasst sie sehr viele, sehr unterschiedliche Formen, vom großen «Herr der Ringe»-Epos über die akustische Experimentalkunst zum gut recherchierten Podcast. Deswegen ist es auch so unverständlich, dass diese lebendige Vielfalt nicht bestärkt und ausgebaut wird, sondern unter dem Vorwand gesteigerter Effizienz Einschränkungen erfahren soll. Gniffkes Vorgänger Tom Buhrow hat mal gesagt, Beethoven höre sich in Stuttgart genauso wie in Bremen an. Soche Aussagen lassen leider eine gewisse Kunstferne, ja Kunstfeindlichkeit in den Intendanzen vermuten.
TH Das Hörspiel ist nicht nur für Theaterautor:innen, sondern auch für viele Schauspieler:innen ein wichtiger künstlerischer Arbeitsbereich. Wie hat sich der denn überhaupt in den letzten Jahren entwickelt?
Röggla Einerseits nehmen Hörspielplätze kontinuierlich ab. Wir haben in der Akademie der Künste im Rahmen unseres kulturpolitischen Beratungsauftrags eine Studie gemacht, bei der herauskam, dass 50 Prozent seit 1990 schon abgebaut sind. Jedes Jahr kriegen wir neue Hiobsbotschaften, dass z.B. wie letztens im NDR wieder eine Sendung eingestellt und damit 52 Hörspielplätze abgeschafft worden sind. Ein Teil verlagert sich raus aus den Sendern in privatwirtschaftliche Unternehmen, die Podcasts und Serien produzieren, wo aber nicht klar ist, wie die Arbeitsverhältnisse sind. Gleichzeitig steht, wenn man auf die Abrufe in den Mediatheken schaut, das Hörspiel ganz vorne, es hat eine große Reichweite, ist bei den Hörer:innen sehr beliebt. Die Entwicklung ist also mindestens widersprüchlich.
TH Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?
Röggla Durch sie hat sich das Honorargefüge stark verändert. Das Finanzierungsmodell bei Hörspielen basierte lange darauf, dass bei Übernahmen, d.h. den Wiederholungen noch mal die Hälfte des relativ geringen Grundhonorars fällig wurde. Wenn jetzt die Hörspiele in den Mediatheken zum freien Abruf stehen, fällt das natürlich flach, zumal die Online-Vergütung auch sehr gering ist. Alle künstlerischen Produktionsteams beim Hörspiel sind seit vier Jahren in einer total unterfinanzierten Situation; konkret heißt das, wir Autor:innen haben einen großen Teil unserer früheren Honorare verloren. Mittlerweile ist zu befürchten, dass ein ganzer Berufsstand in Gefahr gerät. Die Verbände – etwa der Verband der Theaterautor:innen etc. – sind deshalb auch schon seit zwei Jahren mit dem öffentlichen Rundfunk im Gespräch wegen einer neuen Vergütungsregelung. Allerdings kommen diese Verhandlungen nicht recht voran.
TH Der offene Brief listet verschiedene Forderungen auf, von mehr Transparenz bei der Umstrukturierung über den Dialog mit den Betroffenen und die Pflege der Archive bis zum Erhalt der Fachredaktionen. Was genau leistet so eine Fachredaktion?
Röggla Sie liest, wählt aus, kuratiert, begleitet und organisiert die Produktion, ist Gesprächspartner, leistet Öffentlichkeits- und Vermittlungsarbeit – ganz ähnlich wie die Dramaturgie-Abteilungen an den Theatern. Diese sehr informierten und gut vernetzten Fachkräfte werden schon seit einiger Zeit nicht ausreichend nachbesetzt oder mit zusätzlichen Aufgaben betraut. Wir wünschen uns aber starke Redaktionen, die auch Kapazitäten haben, die vielen ungehobenen Archivschätze zu pflegen und ihrem Auditorium zu vermitteln.
Das Gespräch führte Eva Behrendt

Theater heute Juni 2023
Rubrik: Foyer, Seite 1
von Eva Behrendt
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