Ansichten eines Zirkuspferds
Man vergisst oft, dass für viele Länder Osteuropas der Kommunismus eine Zeit der Moderne war», gab der deutsch-russische Kunsttheoretiker Boris Groys nach dem Abriss des Palastes der Republik im Jahr 2007 zu bedenken. «Man will den Kommunismus bekämpfen, aber de facto bekämpft man die Moderne und landet bei vormodernen kulturellen Haltungen.
»
Treffender kann man das langjährige stadtplanerische und kulturpolitische Versagen, das letztlich zum Schloss-Replikat in Berlins historischer Mitte geführt hat – eine Art Themenpark um deutsche Monarchie und Imperialismus –, kaum auf den Punkt bringen. Bereits unmittelbar nach der Wiedervereinigung meldeten sich die ersten konservativ-revanchistischen Stimmen um Joachim Fest oder Wolf Jobst Siedler («Das Schloss lag nicht in Berlin – das Schloss war Berlin») aus der Tiefe der alten Bundesrepu -blik und spekulierten über eine Zukunft der Berliner Mitte nach historischem, imperialistischen Vorbild.
Das eigentlich Unfassbare daran ist, dass sich diese völlig abstruse Gesinnung durchgesetzt hat und (teils) mit Spendengeldern realisiert wurde. Entsprechend aufwendig und erklärungs -bedürftig gestaltet sich nun die Präsentation der ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute August/September 2022
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Anja Quickert
Schon wieder Werther! In einer Zeit perpetuierter Außen-Katastrophen, die das subjektive Erleben dominieren, in der Corona, Klimawandel und der Krieg die Welt von überall her einschnüren und zum Schreckbild gerinnen lassen, scheint Goethes Explosion des Subjektivismus bis zur Selbstauslöschung so etwas wie das Gegenmodell der Stunde. Der ich-besoffene Ego-Shooter...
Eigentlich haben wir mit Corona gerade eine Zeit des ungeheuren Rückzugs ins Private erlebt, mit Seelenschauen im Guten wie im Schlechten, mit Intimität und psychischer Labilität, mit einem Zuwachs an Abschottungswillen und an häuslicher Gewalt. Da passt kaum etwas besser als Ingmar Bergmans 1973 in sechs Teilen ausgestrahlte Fernsehserie «Szenen einer Ehe», ein...
Man könnte es sich leicht machen und sagen: Theaterfilme gibt es doch eigentlich nicht. Denn entweder ist etwas live gespielt vor Publikum (egal ob physisch kopräsent oder über digitale Kanäle vermittelt), dann ist es theatral.
Oder es ist von Kameras eingefangen, konserviert und beliebig oft ausspielbar, dann ist es, nun ja, ein Film.
«Theaterfilme sind noch kein...