Am Schnittpunkt von Kunst und Realität

Die Bühne von Wilfried Minks – ein Katalogtext aus dem Jahr 1968

Theater heute - Logo

Ich traf ihn – Wilfried Minks – in Berlin, wenige Tage vor der Premiere zu Hochhuths «Soldaten», er machte dort das Bühnenbild. Man hatte munkeln gehört, dass der Autor nicht gerade entzückt gewesen sei, als er bei den Proben zum ersten Mal Minks’ Bühne sah, er hatte sich, man kann das auf vielen Seiten Szenen-Beschreibung in der Buchausgabe nachlesen, alles viel atmosphärischer vorgestellt, eine romantische Terrasse vielleicht wie bei Tschechow, eine Kathedrale wie von Feininger gemalt.

Aber das kann ich nicht, sagte Minks zu mir, ich kann nicht Atmosphäre produzieren, ich hab es mit einem Raum zu tun, ich habe Raum und Licht, sonst nichts, die müssen «rein» erhalten bleiben, damit darf ich nicht mogeln. Wenn mir der Autor vorschreibt: Mondweiße Nacht, da bin ich ganz hilflos, da kann ich ihm nur ein Transparent anbieten und draufschreiben: Mondweiße Nacht. Ich muss doch ehrlich umgehen mit dem Material und den Formen, die ich habe.

Die kleine Geschichte ist kennzeichnend für die Arbeit von Wilfried Minks. Es tauchen die Schlüsselworte darin auf: Raum, Reinheit, Ehrlichkeit, Material, Form – das ist das geistige und ästhetische Koordi­natensystem für die Bühne von Minks. Reinheit: ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute April 2018
Rubrik: Wilfried Minks, Seite 47
von Ernst Wendt

Weitere Beiträge
Detmold: Die Krankheit Hoffnung

Der Mensch zählt ja offiziell zu den erdgeschichtlichen Katastrophen, seit 2016 das Anthropozän ausgerufen wurde. Wobei «Katastrophe» schon viel zu anthropozentrisch gedacht ist. Der Erde dürfte es wurscht sein, ob sie sich durch Meteoriteneinschläge, Eiszeiten oder eine Schicht aus Plastik, radioaktive Strahlung und Abgase so einschneidend verändert, dass es für...

Wir Egomonster

Die U-Bahn ist der neue Underground. Jedenfalls in den jüngsten Bühnenbildern des serbischen Szenografen Alek­sandar Denic, der Frank Castorf schon für sein Jahrhunderte überspannendes «Faust»-Paris den Eingang der Metrostation «Stalingrad» nachgebaut hat. Diesmal geht es auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses unterhalb eines riesigen «Camel»-Billboards in...

Zwiespältige Zeugenschaft

Übertriebene Sentimentalität kann man der Großmutter, bei der die Zwillinge aus Agota Kristofs Roman «Das große Heft» die Kriegsjahre überdauern, wahrlich nicht vorwerfen. Die Alte – im Ort schlicht «die Hexe» genannt – pflegt grausame Lebenseinsichten grundsätzlich unter genüssli­chem Hohngelächter zu äußern, je nach Anlass gern auch mit begleitendem...