Am Nullpunkt der Verständigung
Am Anfang war die Fehlbeleuchtung. Ein fahriges Flackern, ein irrendes Licht. Helle Flecken, die dem konturlosen Dunkel der Weltbühne abgerungen scheinen, sich bei aller Zufälligkeit doch ordnen und damit so etwas wie den Beginn einer Zeitrechnung markieren. Den Beginn einer Geschichte allemal, in der das nordfranzösisch-belgische Duo Halory Goerger und Antoine Defoort eine ganze Weile ohne gesprochenen Text auskommen. Am Anfang war jedenfalls nicht das Wort.
«Germinal», so heißt das Stück, ist der perfekte Auftakt für ein entdeckungsfreudiges Nischenfestival wie die Basler Dokumentartage, während denen Fiktion und Kreation nach Herzenslust auf die Wirklichkeit prallen dürfen. Apropos wirklich. Den gelehrten Prolog zum Festivalstart bestritt Dirk Baecker, prominenter Kulturtheoretiker und Wahlbasler. Sein Vortrag umzirkelte die philosophisch hinterhältige Frage: «Was ist nochmals Wirklichkeit?», war gar nicht wortkarg, sondern ermunterte beredt dazu, anstatt die Wirklichkeit mit dem Sein zu verwechseln lieber die Menschen bei ihrer sozialen Blasenbildung zu beobachten. Dann bekomme man immerhin eine Ahnung von der Vielzahl der parallelen Wirklichkeiten, gesetzt den Fall, der ...
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Theater heute Juni 2017
Rubrik: Magazin, Seite 67
von Stephan Reuter
«Wessen Herz ist schon ganz?», fragt Michailo Gurman achselzuckend. Oder er sagt Sätze wie «Das Glück liegt in einem Tag nur, in einer Stunde, einer Minute, Sekunde, in einem ungreifbaren Augenblick.»
Keine Frage, dem jungen Ukrainer mangelt es an optimistischer Lebenseinstellung. Was aber nicht weiter verwunderlich ist, wenn man weiß, dass er erst vor kurzem zum...
Wie die Zeit doch selbst den Klang der Namen verändert! Als das Stück «A bright room called day» 1985 in New York uraufgeführt wurde, da klang Kushner, der Name des Autors, politisch, aufgeklärt, demokratisch. Man dachte an New York, jüdisch-intellektuelles Milieu, Widerstand gegen die Regierungsmacht. Wenn nun, dreißig Jahre später, das Stück unter dem...
Neue Stücke
Die Reformation feiert Geburtstag – ein Jubiläum, dessen sich das Theater voller Dankbarkeit annimmt. Im Kernland der radikalsten Spielart des Protestantismus, des Pietismus nämlich, erklärt Pädagoge und Dramatiker Jörg Ehni noch einmal, wer «Luther!» war: Die Württembergische Landesbühne Esslingen inszeniert die UA als Freilichtspektakel. «Wir sind...