Soziale Erkältungen
David checkt seine Mails. Das bleiche Licht des Bildschirms färbt sein Gesicht gespenstisch. Und das nicht von ungefähr, denn David (Andrea Bettini) gehört zur Gattung der Untoten, Untergruppe: einsamer Mann Mitte 40, im Geschäftsleben erfolglos, im Gefühlsleben erkaltet. Mit Liegestütz und Sit-ups beweist er sich, dass noch Energie in ihm steckt. Nebenher rekapituliert er den E-Briefwechsel, er kennt ihn auswendig. Adressatin ist eine französische Geliebte, die sich für Davids Vergangenheit interessiert. Sie erfährt mehr, als sie wissen will.
Davids Blutdruck steigt, er stemmt Bürostühle, schnauft, stockt, dann ist es draußen: Die Mails sind mehr als die Chronik einer Beziehungsniederlage. Sie sind der Monolog eines Mörders. Und David ist mehr als ein Opfer der geldfiebrigen New Economy. David hat, als er seine überschuldete Frau mit einer Überdosis Tabletten im Ehebett fand, auf den Arzt verzichtet und ihr eine Flasche Wodka eingeflößt.
Dennis Kelly, Jahrgang 1970, hat sich in den letzten fünf Jahren in den inneren Kreis der Londoner Theater- und BBC-Autoren vorgeschrieben. In «Liebe und Geld» (2006) wirft Kelly mittels Rückblenden kurze Blicke in den emotionalen Hinterhof einer ...
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Gründe, kritisch zu sein, gibt es genug», schreibt Friedrich Schirmer im Vorwort zum neuen Spielplanheft des Deutschen Schauspielhauses. Zwar meint er damit mehr die Verhältnisse in der Welt, aber zu den Verhältnissen in seinem Theater gibt es ja auch einiges zu sagen. Inszenierungen, Schauspielerleistungen, Intendantenscherze, Spielplanentscheidungen,...
Clemens Meyer ist als Dichter mit Bierflasche in die jüngste Feuilletongeschichte eingegangen. Als der 1977 in Halle geborene Leipziger im März den Buchpreis der Messestadt erhielt, wurde er just in dem Moment fotografiert, als er im Siegestaumel die Pulle hochriss – die authentische Siegerpose des Kerls von der Straße, der sich längst mit Schmalzlocke, Brille und...
Der Mensch ist frei, und weil er frei ist, kann er so tun, als sei er unfrei. Iwanow kann tun, was er will, und weil er das weiß, kann er nichts tun. Die Hauptfigur von Tschechows erstem abendfüllenden Stück könnte uns zeigen, wie weit es kommen kann mit uns, den allzu gründlich über sich selbst aufgeklärten Menschen. Amélie Niermeyers Inszenierung versucht das...