Soziale Erkältungen

Dennis Kelly «Liebe und Geld»

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David checkt seine Mails. Das bleiche Licht des Bildschirms färbt sein Gesicht gespenstisch. Und das nicht von ungefähr, denn David (Andrea Bettini) gehört zur Gattung der Un­toten, Untergruppe: einsamer Mann Mitte 40, im Geschäftsleben erfolglos, im Gefühlsleben erkaltet. Mit Liegestütz und Sit-ups beweist er sich, dass noch Energie in ihm steckt. Nebenher rekapituliert er den E-Briefwechsel, er kennt ihn auswendig. Adressatin ist eine französische Geliebte, die sich für Davids Vergangenheit interessiert. Sie erfährt mehr, als sie wissen will.



Davids Blutdruck steigt, er stemmt Büro­stühle, schnauft, stockt, dann ist es draußen: Die Mails sind mehr als die Chronik einer Beziehungsniederlage. Sie sind der Monolog eines Mörders. Und David ist mehr als ein Opfer der geldfiebrigen New Economy. David hat, als er seine überschuldete Frau mit einer Überdosis Tabletten im Ehebett fand, auf den Arzt verzichtet und ihr eine Flasche Wodka eingeflößt.

Dennis Kelly, Jahrgang 1970, hat sich in den letzten fünf Jahren in den inneren Kreis der Londoner Theater- und BBC-Autoren vorgeschrieben. In «Liebe und Geld» (2006) wirft Kelly mittels Rückblenden kurze Blicke in den emotionalen Hinterhof einer ...

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Theater heute Juni 2008
Rubrik: Chronik, Seite 46
von Stephan Reuter

Vergriffen
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