Wenn der Grenzer zwei Mal klingelt
Wäre das ein Film noir und kein Stück von Karl Schönherr, man würde von einer Femme fatale sprechen. Aber damals in Tirol hat man eine Frau, die mit den Männern spielt, halt noch Weibsteufel genannt. In einem tief im Wald gelegenen Haus lebt ein Schmuggler, der seine Geschäfte durch einen aufmerksamen jungen Grenzjäger bedroht sieht. Die Frau des Schleichhändlers soll ihre weiblichen Reize einsetzen, um den Grenzer abzulenken. In der Folge entwickelt sich zwischen den drei Figuren ein erotisch-strategisches Machtspiel, aus dem am Ende die Frau siegreich hervorgeht.
Dass das fabelhaft gebaute Dreiecksdrama (uraufgeführt 1915 am Burgtheater) heute weitgehend aus dem Repertoire verschwunden ist, hat weniger mit der Qualität des Stücks als mit dem fragwürdigen ideologischen Ruf des Autors (Rubrik: Blut & Boden) zu tun. Ein Fall für Martin Kusej. Immer, wenn es am Burgtheater in der Direktion Klaus Bachlers darum ging, einen österreichischen Klassiker vorurteilsfrei neu zu entdecken, wurde Kusej engagiert; unter anderem inszenierte er am Burgtheater 2001 Schönherrs Bauerntragödie «Glaube und Heimat» als düstere Schlammschlacht. Mit dem «Weibsteufel» verabschiedete sich der Regisseur, der ...
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Schlafsacklarven säumen die Mönckebergstraße zwischen Hauptbahnhof und Thalia Theater. Verschanzt hinter Plastiktüten und Bierflaschen liegen sie in den verschlossenen Eingängen zu Zara und Vattenfall und erinnern die Sonntagsspaziergänger daran, dass nicht jeder auf dieselbe Weise in der Shoppingwelt ankommt. Kurz darauf im Theater: alles voller Schlafsacklarven....
Shakespeares «Was ihr wollt» ist nicht nur eine Komödie, seine beliebteste, sondern auch ein Stück über das Irrewerden an der eigenen Identität, in das die Liebe und die ihr innewohnenden Projektionen seine Protagonisten stürzt. Wird man ein anderer, wenn man vom Rock in die Hose wechselt? Wer werde ich durch den Blick des anderen, der mein Geschlecht verkennt? Im...
Sich über Realitäten indischer Theaterpraxis heute austauschen und Visionen für die Zukunft entwickeln – darum ging es im südindischen Dschungel. In der Theaterschule Ninasam, die in einem winzigen Dorf liegt, trafen sich fast 150 Kritiker, Journalisten und Theaterschaffende zum «Not the Drama Seminar». Alle waren mit erheblichem Reiseaufwand hierher gekommen,...