Gegenkritik: Stephan Kimmig

Wer ist schon «normal»? Stephan Kimmig hält die Kritik an seiner Inszenierung von Dennis Kellys «Liebe und Geld» für einen Abwehrreflex.

Theater heute - Logo

Zu den wohlfeilsten Abwehrreflexen, die beim Ansehen eines künstlerischen Vortrags oder eben eines Theaterabends entstehen, gehört das Etikett: «krank». Warum? Weil «krank» eben nicht wir sind. Wir sind normal, und die da auf der Bühne sind krank. Man kann nur Vermutungen anstellen, warum diese Reflexe immer wieder so schnell greifen. Erzeu­gen die Figuren eine Nähe zum Zuschauer, die dieser nicht erträgt? Das wäre meine These. Und Nähe produziert Abwehr. Deshalb behauptet man, das kenne ich schon alles. Das ist doch nix Neues. Damit hält man sich Kellys Gedanken vom Leibe.



Denn Kellys Figuren sind uns näher, als mancher wahrhaben möchte. In unserer Aufführung pro­bieren wir, die Figuren an den Zuschauer heranzuführen, sie mit dem Zuschauer bekannt zu machen. Die Schauspieler erzählen die Figuren, um sie später auch zu spielen; deshalb sitzen die Schauspieler am Anfang rum und erzählen von und durch sich, in einer Art, die Nähe voraussetzt, die nicht vorführt, sondern sich öffnet zum Zuschauer. Da wird kein Drama aus dem Boden gestampft. Das Drama kommt erst später. Wir finden es wichtig, mit Kelly zu untersuchen, ob wir nicht längst alle kaufsüchtig geworden sind, denn ab wann, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Mai 2009
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Stephan Kimmig

Vergriffen
Weitere Beiträge
Erzählen, wie es wirklich war

O Gott, wenn die mich jetzt erschießen …» Es war Todesangst, die Heidelore Rutz packte, als man sie am 30. Juli 1975 nach einer Demonstration von Ausreisewilligen in Jena verhaftete und in den Keller einer Stasi-Station warf. Was folgte, waren die Qualen der Verhöre, der Angst, Ungewissheit, Gewalt; dann ein Prozess und jahrelanger Knast mit Schwerstarbeit im...

Klavier in Plastik

Der D 274 ist nicht irgendeiner, es ist der Steinway an sich und in etwa genau so eindrucksvoll, wie man sich eine abweisende Diva vorstellen muss. In Heidelberg, wo die aus Georgien stammende Nino Haratischwili ihr «Liv Stein» jetzt selbst zur Uraufführung gebracht hat, steht der Konzertflügel wie ein Kunstobjekt auf einem Sockel, ist allerdings mit einer dicken...

Wir sind die Größten!

TH Ist die Jury des Theatertreffens mit sich selbst zufrieden?

Wolfgang Höbel Es ist entschieden die beste aller möglichen Auswahlen.

TH Klingt nicht unbescheiden.

Höbel Die Jury ist eben total begeistert von ihrer Auswahl, und wir haben beschlossen, dass kein Blatt Papier zwischen uns passt. Totale Einigkeit nach innen und nach außen.

TH Der Weg führt vom Selbstlob...