Midlife und andere Krisen
Die neue Saison war noch keine acht Wochen alt, da stand es für das Feuilleton einer überregionalen Zeitung schon fest: Die Berliner Bühnen stecken in der Krise. Das Deutsche Theater, eben noch in Bernd Wilms’ letzter Spielzeit zum «Theater des Jahres» gekürt, unter Interims-Intendant Oliver Reese wegen Renovierung des Großen Hauses auf Zelt und Kammerspiele verwiesen, das Maxim Gorki rastlos mit schneller Nadel gestrickte Inszenierungen ausspuckend, Peymanns Berliner Ensemble völlig aus dem Fokus überregionaler Aufmerksamkeit geraten, wenn nicht gerade Peter Stein inszeniert.
Die Schaubühne, deren «Anatol» von Luk Perceval Anlass der Klage war: auch kein Lichtblick (siehe TH 12/08). Ein Herbst-Lamento, das das Kind arg früh mit dem Bade auskippt.
Die Probleme der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz sind indessen alles andere als neu: Publikums-, Schauspieler-, Dramaturgenschwund plus ästhetische Ratlosigkeit. Seit neuestem werden sie auch eingestanden. Was das Theater in einer Presse-Mitteilung allerdings zart «Krisen-Geflüster» nennt, ist eher ein Krisendröhnen. Schlingensiefs «Scheitern als Chance!» beschwörend, verspricht das Schreiben, das Haus «neu zu erfinden», nachdem die ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Christoph Schlingensief kommt nach wie vor gern auf die Bühne. Vor der dritten Aufführung des «Zwischenstands der Dinge» hält er vor den rund 70 Zuschauern, die in das kleine Gorki Studio passen, eine schnelle, atemlose Ansprache. Er berichtet von «einem neuen Zwischenstand», der «scheiße» aussähe, philosophiert über Kritiker, die verwirrt konstatiert haben, dass...
Band 1 1965–1987
Was in Deutschland überhaupt schlecht funktioniert, ist das Mittlere. Es gibt nur Superspitzenprodukte und Scheiße, das Mittlere hat, als Quantität, nicht stattgefunden – in allen Kunstgenres, glaub ich. Es hat nie eine Mitte gegeben. mit Harun Farocki, 1981
Mein Hauptinteresse beim Stückschreiben ist es, Dinge zu zerstören. Dreißig Jahre lang war...
Man war ja schon einiges gewohnt. Mit Boris Sieverts hatte man bei Schneefall den unwirtlichen Kölner Norden durchwandert. In einer Open-Air-Performance von «Der Bus» war man durch Wälder und Tümpel unweit des Kraftwerks Goldenberg gestreift, als auch der zweite Vlies-Pullover nichts mehr gegen die klirrende Kälte auszurichten vermochte. Dann aber hockte man mit...