Hauptsache angeschnallt

Georg Kaiser «Gas I & II»

Eine Fabrik, deren Produkt für den Energiehunger der Industrie unerlässlich ist, fliegt in die Luft. Arbeiter sterben. Der Betreiber ist erschüttert und will die Produktion einstellen. Aber von seinem Vorschlag, die auf sein Produkt angewiesene Industrie entsprechend umzurüsten, halten die Wirtschaftsbosse nichts: «Die Kosten wären Ruin!», empören sie sich.

Was aus heutiger Sicht eine (wenn auch grob geschnitzte) Satire auf die nach Fukushima eingeläutete Energiewende wäre, ist ein aufgrund seines Alters durchaus visionär zu nennender Text: 1917/18 schrieb Georg Kaiser »Gas I», eine expressionistische Textattacke über rücksichtslosen Fortschrittswahn, entfremdete Arbeit und den Lemming-Trieb des Menschen. Ein Stück, das bei gründlicher Lektüre schon seinerzeit vor einem kapitalen Fehler im Konzept sozialistischer Arbeiter-und-Bauern-Idyllen hätte warnen können: Da will der Besitzer der Gasfabrik, ein philanthropischer Milliardärssohn, nur Gleicher unter Gleichen sein – aber dann beschließt er doch im Alleingang, was für seine Arbeiter das Beste ist, und will das Fabrikgelände zum Acker-Areal mit lauter Einfamilienhäuschen umwandeln. Worauf genau die Arbeiter, die gerade eben noch ...

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Theater heute Juli 2014
Rubrik: Chronik: Karlsruhe, Seite 53
von Andreas Jüttner

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