Filiz Sizanli, Mustafa Kaplan tanzen «Graf»
In der Türkei entscheiden sich eine angehende Architektin und ein zukünftiger Elektronikingenieur für eine Karriere auf dem Tanzboden. Das sieht man. In "Graf" von Filiz Sizanli und Mustafa Kaplan spannt sich unter kalten Neonröhren ein Netz aus Schnüren über die Bühne. Mag sein, dass dieses Labyrinth dem mediterranen Stil der Stromversorgung entspricht. Kaplan hangelt sich daran wie an einem Trapez, einer Hydra, die ständig ihre Struktur ändert. Der Kabelsalat ist ein lebendiges Gebilde, an das der Mensch sich anpasst.
Die dazu notwendige Spannung der Körper verwandelt sich in Hochspannung. Jeder musikalische Ton wird von elektrischen Störungen zerfressen. Elektrizität ist überall auf dieser buchstäblich vernetzten Bühne. Orientalische Musik ertönt, und Filiz tanzt ein Solo, vielleicht einen Traum von den Nächten in Istanbul, in dem die beiden den zeitgenössischen Tanz «trotzdem» durchfechten. Und deshalb unter Strom stehen. Denn der Heimwerkercharakter des Bühnenbilds zeugt von der Notwendigkeit, ohne Budget zu kreieren. Aber die Spannungsdichte spricht Bände vom Willen, sich diesem «Trotzdem» zu stellen.
Elektrizität ist Modernität, auch Tortur. Kaplan steigt in weißem Anzug in ...
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