Höher, schneller? Länger!

Tanz ist an Jugend gebunden – ein Dogma, das lange galt. Seit geraumer Zeit deutet sich ein grundlegender Wandel an, ein anderer Umgang mit künstlerischer Reife. Gabriele Brandstetter, Professorin der Freien Universität Berlin und Gründerin des Zentrums für Bewegungsforschung, beleuchtet ihn im Gespräch mit Elena Philipp

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Gabriele Brandstetter, was hat sich im Westen getan in Bezug auf Tanz und Alter in den vergangenen Jahren? Erst einmal ist zu konstatieren, dass sich etwas verändert hat. In unserer Gesellschaft wird Altern noch immer negativ bewertet. Es gibt die Vorstellung von «weniger», von Verlust und «nicht mehr machbar» – physisch und psychologisch, aber auch ästhetisch. Angesichts der demografischen Entwicklung ist das Alter aber für unsere Gesellschaft ein großes Thema.

Sich hier noch einmal einzumischen und ein Gegengewicht zu stereotypen Vorstellungen zu schaffen, ohne das Altern zu beschönigen, das ist eine Debatte wert. Das heißt: Wenn wir im Tanz ein Stück weiter sind, -haben wir auch etwas für die Gesellschaft getan. Die kleine, oft marginalisierte Kunstform hat bereits zur Umpolung von Betrachtungsweisen beigetragen.

 

Inwiefern? In den Blick geraten die Potenziale. Das Präfix Dis- wie in dis-ability oder dis-function tritt zurück, das Bewusstsein für den Körper als Ansammlung von Erfahrungen, Wissen und gelebtem Leben nimmt zu. Tänzerkörper sind unterschiedlich, das Bewusstsein für die Eigenzeit körperlicher Entwicklungen tritt in den Vordergrund. Die Zeitgestalt des Körpers ist ...

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Tanz November 2018
Rubrik: Praxis, Seite 68
von Elena Philipp

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