Zum Niederknien

«Sonoma» von Marcos Morau reißt das Publikum von den Sitzen – live und analog. Die Vorstellung in Sevilla sah Arnd Wesemann

Neun Frauen in weißen Kleidern tragen schwere Trommeln um den Hals, groß wie runde Waschkörbe, auf die sie schlagen, vor Wut, aufrecht, immer lauter und dringlicher. Über ihnen senkt sich die Decke. Sie schreien. Und schlagen schneller, verzweifelter, bevor der Himmel ihnen auf den Kopf fällt. Das Licht verlöscht mit einem Schlag. Keine Sekunde vergeht, da springt das Auditorium geschlossen auf. Applaus setzt ein, kein kakofones Klatschen, sondern eines mit rhythmischer Wucht, so wie es die Trommeln im Ohr, im Blut und unter der Haut entzündet haben.

Der Applaus brandet wie ein Echo zurück, den neun Frauen entgegen, die sich zutiefst gerührt verbeugen vor der Wand aus Menschen, die sich nicht mehr auf den Stühlen halten konnten.

Diese Zeilen zu schreiben, fällt eher schwer. Nicht, weil sie nicht der Wahrheit entsprechen. Nur kann kaum einer glauben, dass dies nicht allein der Traum eines Choreografen sein soll. Jener seltene Augenblick, in dem Kunst und Publikum für Minuten zu einer Einheit verschmelzen.

Aber es ist kein Traum. In Spanien – bei etwa gleichen Inzidenzwerten wie bei uns, wo alle Theater noch geschlossen sind – spielen die Bühnen immer weiter. Um das zu erleben, ...

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Tanz April 2021
Rubrik: Produktionen, Seite 6
von Arnd Wesemann

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