Wovon wir träumen
Ein Erdling schraubt sich vom Liegen ins Sitzen ins Stehen. Schwefelgelb leuchtet der Horizont, während sich die Silhouette erst in den Raum hineinfräst und dann zusammenknickt, um alle Energien im Buddha-Sitz zu bündeln. Vielleicht sechzig Sekunden später tauchen drei Grazien auf, wie einst die Nymphen in Nijinskys «L’Après-midi d’un faune». Schwarzblau schimmert die Nacht und spannt ihr Sternendach über Mann und Frau.
Seltsam Zwiespältiges steht zwischen ihnen: «I’m trying to reach you girl – I don’t even know, just what I want», perlt eine Wortmelodie aus dem Off, während das Paar sich am Miteinander versucht, jedoch beim Kräftemessen landet. Schon saust ihr linkes Knie aufwärts, faltet sich klammerartig um seinen Nacken. Als er die Arretierung verschiebt, schlingt sie beide Beine um seinen Hals wie eine Erstickungsmanschette.
Neonröhren links und rechts, dazwischen ein Mann, rücklings ausgestreckt. Er hört das Getrappel, das chorische Geräusch der siebenpaarigen Spitzenschuh-Schwadron im Anflug. Schon beugen sich die Frauen über ihn, Finger züngeln wie Tentakel, nah und immer näher. Bevor die Beinfalle – échappé à la seconde … und auf, und zu – final einrastet, sprengt ein ...
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Tanz Mai 2021
Rubrik: Produktionen, Seite 10
von Dorion Weickmann
Sachbuch
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