Very Victorian

Tamara Rojo nimmt Abschied vom English National Ballet – mit einer «Raymonda»-Aktualisierung, die die Handlung in die Zeit des Krimkriegs verlegt.

Es ist ihr Abschiedsgeschenk an die Kompanie, die sie in den vergangenen neun Jahren geleitet hat: Tamara Rojos Bearbeitung von Marius Petipas «Raymonda»-Choreografie, uraufgeführt 1898 zur ersten Ballett-Komposition Alexander Glasunows. Seit 1964 hat keine britische Ballettkompanie das Werk in voller Länge aufgeführt; entsprechend gründlich hat Rojo ihr Unterfangen vorbereitet. Die Premiere musste – wie so viele Bühnenprojekte der vergangenen Monate – aufgrund pandemischer Widrigkeiten verschoben werden.

Zum Ende des Jahres nimmt die in Montreal geborene, in Spanien aufgewachsene Direktorin Abschied vom English National Ballett (ENB) (tanz2/22), um die Künstlerische Leitung des San Francisco Ballet von ihrem isländisch-amerikanischen Kollegen Helgi Tomasson zu übernehmen.

Glasunows verführerische Ballettmusik mag der eigentliche Grund sein, warum Rojo den handlungstechnisch eher unbefriedigenden Dreiakter wiederbelebt hat. Der mittelalterliche Original-Plot entspinnt sich zur Zeit der christlichen Orient-Kreuzzüge: Die adlige Titelheldin Raymonda wird von dem französischen Ritter Jean de Brienne mit Unterstützung der Armee des ungarischen Königs aus den Fängen des ...

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Tanz März 2022
Rubrik: Produktionen, Seite 18
von Jann Parry

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