
Street Art in Italien; Foto: Marina Dafova
Sexuelle Belästigung
Auf diesem Thema war der Deckel geradezu festbetoniert: sexuelle Belästigung im Ballettsaal, im Tanzstudio, in der Garderobe, im Direktionsbüro? Kein Kommentar! Allenfalls hinter vorgehaltener Hand … Der Weinstein-Skandal in den USA und seine weltweiten Nachbeben sorgen dafür, dass sich nun auch die Tanzszene mit Übergriffigkeit und Übergriffen bis hin zu kriminellen Vergehen befassen und glasklar dazu positionieren muss. Und das umso mehr, als der Tanz – von außen gesehen – eine Art Hochrisikozone ist, weil von Natur aus mit Nähe, Berührung und Intimität verbunden.
Weshalb «die Grenzen tendenziell verschwimmen». Das sagt Ingo Diehl, ehemaliger Tänzer und heute Studiengangsleiter des MA CoDE an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Er selbst hat Unangenehmes erlebt – «Übergriffe, die ins Physische gingen.» Diehl bilanziert: «Wo so etwas vorkommt, passiert es in der Regel nicht einmal, sondern mehrfach. Wenn die Institutionen davon erfahren, versuchen sie, intern damit umzugehen, denn sobald es publik wird, ist das Image, ja die Existenz gefährdet.»
Diese Einschätzung bestätigt auch Michael Freundt vom Dachverband Tanz. Er hat beobachtet, dass sich «Ensemblesprecher in ihrem Netzwerk gegenseitig über solche Vorfälle informieren. Aber nichts davon dringt an die Öffentlichkeit. Es gibt bisher darüber keine klare Verständigung – genau das steht an.» Tatsächlich ist das Thema bis zum Herbst weder in der Bundesdeutschen Ballett- und Tanztheaterdirektoren-Konferenz (BBTK) je behandelt worden noch in der Ausbildungskonferenz Tanz (AKT). Eigentlich skandalös. Denn es geht ja nicht nur um erwachsene Profis, sondern auch um Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts, die sich in der Ausbildung befinden.
Deshalb ist es zwingend notwendig, dass flächendeckend verbindliche Richtlinien zur Prävention wie zum Umgang mit sexueller Belästigung erarbeitet werden. Nur maximale Transparenz kann für Klarheit in der alles entscheidenden Frage sorgen: Wo endet die Kunstübung, wo beginnt der Übergriff?

Tanz Dezember 2017
Rubrik: Praxis, Seite 74
von Dorion Weickmann
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