Samba Beyoncé
Abends um 20 Uhr ist die achtspurige Avenida Francisco Bicalho, die das Zentrum von Rio de Janeiro mit dem Hafen verbindet, ein düsterer Ort. Kaum Straßenbeleuchtung, kein Mensch zu sehen, die Autos rasen wie ferngesteuert über den Asphalt. Außer den Bussen hält hier keiner, schon gar nicht freiwillig. In diesem urbanen Niemandsland liegt die Quadra der Unidas da Tijuca (UdT), das Probenzentrum einer der erfolgreichsten Sambaschulen der letzten Jahre.
Mittwochs und donnerstags nachts treffen sich hier 150 junge Frauen und Männer zum Proben – «Os Beyoncés», wie die alten Damen der UdT-Community die ziemlich samba-untypischen Kids aus den Peripherien und Favelas von Rio freundlich-skeptisch nennen. In der zur Straße offenen ehemaligen Lagerhalle staut sich die Hitze des Tages. Kein Ventilator, an Air Condition gar nicht zu denken, bei vierzig Grad Celsius flitzen fingergroße Kakerlaken über den porösen Betonboden. Die Trommler und Sänger der Batería, der Live-Musik-Section, die das schlagende Herz jeder Sambaschule ist, bringen bereits die Plastikstühle am Rand der Tanzfläche zum Vibrieren. Auf abenteuerlich hochhackigen Schuhen stolzieren die 150 Kids über den Beton. Manche sind ...
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Tanz März 2017
Rubrik: Produktionen, Seite 12
von Dieter Jaenicke
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