Neuchâtel On Tour: «Celui qui tombe»

Yoann Bourgeois: «Celui qui tombe»

In Angelin Preljocajs Meisterwerk «Le Parc» gibt es einen magischen Moment: Eine Tänzerin tritt sacht auf ihr männliches Gegenüber zu, legt ihm die Hände in den Nacken – und der Tänzer beginnt sich zu drehen, schnell und immer schneller, bis die Auftriebskraft die Frau in ein Wesen verwandelt, das horizontal in der Luft zu schweben scheint. Yoann Bourgeois’ «Celui qui tombe», zuletzt beim Festival «Tanz im August» im Haus der Berliner Festspiele präsentiert, verdreifacht diesen Anblick und gibt ihm zugleich eine ganz andere Note.

Drei Frauen schlingen hier die Arme um Männerhälse, aber es wird kein inbrünstiges Bild, kein beschwingter Flug daraus. Nicht die Halt gebenden Tänzer kreiseln, sondern der Boden unter ihnen rotiert, in immer wahnwitzigerem Tempo. Das Sextett muss elementaren Gewalten die Stirn bieten, immensen Fliehkräften trotzen. Andernfalls würde es von der Scheibe stürzen, in den Abgrund trudeln, in die Finsternis rund herum.

«Celui qui tombe» besitzt beides: den sinnlichen Reiz einer schönen Oberfläche und die existenzielle Botschaft, dass wir in einem Zeitalter der Krisen und Katastrophen leben und doch nur wahrnehmen – für wahr nehmen –, was wir wissen wollen. ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Tanz Oktober 2016
Rubrik: Kalender und Kritik, Seite 46
von Dorion Weickmann

Weitere Beiträge
Abschied: Rosemary Butcher

2015 widmete das Festival «Tanz im August» der britischen Choreografin Rosemary Butcher eine Retrospektive: «Memory in the Present Tense». Am 14. Juli ist Butcher nun, im Alter von 69 Jahren, in London gestorben. Der Katalog zur Retrospektive ist erst danach erschienen. Butcher war eine der innovativsten Choreografinnen Europas. Anfang der 1970er-Jahre kam sie in...

Farewell: Judith Percival

Judith Percival schrieb unter ihrem Mädchennamen Judith Cruickshank und unter ihrem Mittelnamen «Aylmer» für zahlreiche Tanzpublikationen und Zeitungen, darunter «The Guardian» und «The Stage» sowie Websites wie «Ballet Bag» und «danceviewtimes».

Die Witwe des renommierten Tanzkritikers John Percival stand zu dessen Lebzeiten publizistisch nicht selten im Schatten...

Persönlich

In den Augen Schalk, unterzeichnet von großen schwarzen Dreiecken, nach unten zeigend, dorthin wo die Melancholie sitzt. Darüber die Brauen so dunkel und dick, als müssten sie festhalten, was nach unten zieht. Und ein Mund, freundlich, riesig, aber stumm. Wir sind mit diesem Gesicht aufgewachsen. Dimitri war für uns der Clown schlechthin – und zugleich die...