Ludica: «The Corner»
Wir wären gern drin, mittendrin. Denn drinnen geht’s ab: Die Menschen grölen, jubeln, lachen. Eine E-Gitarre jault. Ein Mann (er muss ein Star sein!) redet mit dem Publikum, das auf jedes seiner Worte enthusiastisch reagiert. Man meint die schweiß- und bühnennebel-getränkte Luft zu atmen, sieht sich selbst im bläulichen Licht des Konzertraums in der unruhigen Menge baden, hört sich kreischen, Biergeschmack auf der Zunge – Reizüberflutung, hochgepeitschte Emotionen, überwältigende Akustik ... Nichts da. Wir sind draußen.
Sitzen mucksmäuschenstill auf unseren Theaterstühlen, vor uns ein aseptisch weißer Raum, keine Requisiten. Nur wenn die Projektion einer Tür sich quietschend öffnet, dringt der Lärm des Rock-Konzerts zu uns. Man hört das Johlen, die Musik – dann schlägt die Tür krachend zu. Wir gehören nicht dazu, sind die Lauscher an der Tür, sind: Außenseiter.
«The Corner», uraufgeführt im tanzhaus nrw von der Düsseldorfer Gruppe Ludica, widmet sich den Eckstehern und Randständigen, die für eine Gesellschaft unabdingbar sind. Der Außenseiter – in der Realität ist er meist einfach der Unsichtbare. Die Theorie verklärt ihn gern zum wahren Rebellen einer Gesellschaft. Ludica greift in ...
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