Keusche Begierde
Die Franzosen lieben das Tanztheater von Pina Bausch, das Kino von Rainer Werner Fassbinder – und Wim Wenders. Während der Regisseur in seiner deutschen Heimat zwar geachtet, aber selten stürmisch gefeiert wird, hat er unter den frankophonen Cineasten eine riesige Anhängerschar. Insofern kein Wunder, dass die Tanzversion von «Himmel über Berlin» ausgerechnet in Strasbourg erstmals über die Bühne ging.
Choreografiert von Bruno Bouché, interpretiert von seinem bestens präparierten Ballet du Rhin, verwandelt sich das 1987 in Schwarzweiß gedrehte Filmmärchen in eine keusche Lovestory. Sie beschwört zwar im Titel «Les Ailes du désir», also die «Flügel des Verlangens», schwingt sich aber nie zur ganz großen Leidenschaft auf.
Das Geschehen bleibt dicht an der Vorlage: Der Engel Damien verzichtet auf Unsterblichkeit – um seiner Liebe willen, die der Trapezkünstlerin Marion gehört. Die Choreografie kommt mit zwei Tutti-Szenen in Schwung, die Engels- und Alltagswelt gegeneinandersetzen. In der kosmischen Bibliothek blättert Homer – Pierre Doncq als Widergänger des legendären Curt Bois bei Wenders – durch imaginäre Bücher, umgeben von melancholischen Seraphim. Folgt der Schnitt auf eine ...
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Tanz März 2022
Rubrik: Menschen, Seite 31
von Dorion Weickmann
Noch immer sind die Tänzer des Nederlands Danstheater eigenwillige, höchst unterschiedliche Individuen, und doch ähneln sie unter der neuen Direktorin Emily Molnar stärker den athletischen kleinen Kraftpaketen, wie man sie in so vielen modernen Kompanien sieht. Gerade in einem Geniestreich wie «Toss of a Dice» vermisst man die langgliedrige Geschmeidigkeit, die...
STREETDANCE
Eigentlich hatte jede Zeit ihre Tänze, doch das frühe 21. Jahrhundert ist eine Art Schmelztiegel der Vergangenheit. Jedenfalls was die heute populären Bewegungsformen betrifft, die unter dem Namen «Streetdance» firmieren. Arte widmet ihnen eine zweiteilige Doku, die nach den Wurzeln des globalen Phänomens fahndet und die «Geschichte des Streetdance»...
Die tanzen bloß schön. Den Einwand hört man da und dort, insbesondere im deutschsprachigen Raum, da in der Rede über Tanzproduktionen gerne mal Schönheit und Form gegen inhaltliche Anliegen ausgespielt werden: Schönheit statt Dringlichkeit. Den Gegensatz tanzt das Ballett Zürich mit dem Abend «Angels’ Atlas» einfach weg. Insbesondere Crystal Pites Stücke...