germaine acogny
hat den Muskelbau eines 25-jährigen Mannes. Dabei ist sie 70 Jahre alt und eine Furie auf der Bühne von Olivier Dubois. Der französische Choreograf pfercht die einstige Schülerin von Maurice Béjart in eine tief dunkle Kiste. Sie, die Mudra Afrique und später ihre eigene Schule gründete, die École des Sables südlich von Dakar an der senegalesischen Küste, genießt eingesperrt ihr Markenzeichen: Ihre geliebte Pfeife glimmt.
Sie schmaucht sie in «Mon Élue Noire – Sacre #2» (etwa: Meine auserwählte Schwarze) und stellt zu Strawinskys «Sacre du printemps» eine tanzende Lokomotive vor. Ihre Armen tanzen wie Kolben. Keiner denkt da an ein anderes Opfer als jenes, das sie nach einer von ihr elegant weggeschnippten Musik zwischen den lachenden Zahnreihen herausströmen lässt: das Opfer der Kolonialzeit.
Sie zitiert (zur Eröffnung des Festivals «Made in Potsdam») Aimé Césaires «Discours sur le colonialisme» von 1950: dass der Kolonialist darüber, dass er gezwungen war, im Sklaven ein Tier zu sehen, selbst zu einem Tier werden musste. Germaine Acogny verwandelt sich also nicht in ein bedauernswert ekstatisches Wesen, sondern in eine Kraftstation, die die Bodendeckel ihrer Kiste hochhebt und ...
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Tanz März 2015
Rubrik: menschen, Seite 27
von Arnd Wesemann
Sie hat ihren Fortgang aus Roubaix, wo sie die Leitung des Centre chorégraphique national an Olivier Dubois übergeben hat, bestens verdaut. Sie wurde gut aufgefangen, ist für zwei Jahre am Théâtre National de Chaillot als artiste associé untergeschlüpft. Praktisch das gesamte Ensemble hielt Carolyn Carlson die Treue. Künstlerisch scheint sich der Tapetenwechsel...
Allen voran ist es das «Romaeuropa Festival», das die italienischen Hauptstadtbürger seit nunmehr fast 30 Jahren über das internationale und nationale zeitgenössische Kunstschaffen auf dem Laufenden hält. So war das Festival auch das Sprungbrett für «Darling», die neue Produktion des aufsehenerregenden Autoren- und Regieduos ricci/forte. Stefano Ricci und Gianni...
Am Anfang war kein Wort. Alles noch ungesagt. Ein Haufen zerknülltes Papier auf der Bühne; darüber hängt tief eine funzelige Brutlampe. Nichts rührt sich, Stühle knarzen, Zuschauer hüsteln. Draußen, um die Alte Feuerwache in Köln herum, tobt das Leben, Kinder rufen, Rockmusik wird auf- und zugedreht. Der Berg hier knistert kaum hörbar. Ein Papier ragt heraus,...