Forever young
Es ist ein gutes Zeichen und ein schlechtes. Der zeitgenössische Tanz entwickelt Geschichtsbewusstsein und bemüht sich nun ebenfalls, das eine oder andere Werk als «Klassiker» ins Repertoire zu vermitteln. Was dem Ballett recht ist, darf ihm billig sein. Doch Hinwendung zur Vergangenheit bedeutet auch ein wenig Zweifel an der Zukunft. Denn es geht nicht recht vorwärts im Tanz. Schauen wir darum zurück?
Das Wörterbuch nennt zu Überlieferung «überlieferte Sitten, Gebräuche, Formen». Was auf ein traditionelles, hierarchisches System verweist.
Der Meister und sein Schüler. Im indischen Modell etwa ist der Guru ein Lehrer in der Kunst der Existenz. Was bereits weit über die Körpertechnik hinausreicht. Wie einst bei Maureen Fleming, die, um sich seine Weisheit einzuverleiben, Kazuo Ohno fütterte, weil der Meister etwas schwächlich war. So brüderlich und schwesterlich geschieht hier Überliefern, wenn der ursprüngliche Interpret und/oder Choreograf entscheidet, dass es an der Zeit ist. Dann sucht er sich den Erben, le dépositaire, den Empfänger.
Und geht ins Studio. Der Wunsch, das Begehren, die Initiative gehen vom «Meister» aus. Der titulaire, der rechtmäßige Inhaber des Stücks kann, ...
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Scheherazâde Fattal lebt heute zurückgezogen in einem Vorort von Santo Domingo in der Dominikanischen Republik, wo ich sie im Asilo del Sagrado Rosario de la Virgen traf, im Altersheim zum Rosenkranz der heiligen Jungfrau. Sie ist eine vergessene Legende, die ihre Karriere als Bauch- und Schlangentänzerin im Nahen Osten der 1930er Jahre begann und ihren Höhepunkt...
Das Beste zuerst. Halb nackt hebt Cynthia Loemij den Arm, kaum dass Taka Shamoto vorüberhuschend im Dunkel wieder verschwunden ist. Leer ist das Théâtre de la Monnaie. Keine Weintraube scheint zur Hand. Nicht ein einziger Ton erklingt. Und doch ist dieser «Nachmittag eines Fauns», der den «Abend eines Tages» präludiert, erfüllt von einer inneren Musik – und jede...
Manja Chmièl wurde im Nachkriegs-Berlin neben Dore Hoyer gefeiert. Die Tschechin aus der Wigman-Schule pfiff auf Tradition. Sie war die Metapher ihres Manifests: «Mein Tanz ist nicht Ausdruckstanz ...» Erdig, blutvoll rhythmisch, raumgreifend suchte sie nach einem Vokabular, das pure Bewegungsgebilde in zeitliche Ordnung brachte, als Spiegel der Zeit. Ihr Stil...