
Tanzkurs mit Patrick Acogny; Foto: Thomas Hahn
Finanznot
Die École des Sables, Mutter der zeitgenössischen Tanzausbildung in Afrika, droht finanziell zu verdursten. Von Germaine Acogny und Helmut Vogt erdacht, erbaut, belebt, betrieben und 1998 südlich von Dakar im Fischerdorf Toubab Dialaw eröffnet, kämpft die Schule um ihre Zukunft. Dass Generationen von Tänzern des afrikanischen Kontinents hier Kontakt zur internationalen Szene fanden, hilft da wenig. Ebenso wenig nützt es, dass Acogny eine Art Carolyn Carlson Afrikas ist – also eine große Choreografin.
Jugendliche aus Uganda, Elfenbeinküste, Mali können selbst weder Flug- noch Ausbildungskosten für die Workshops aufbringen. 80 000 Euro kosten die jährlichen Ausbildungszyklen. 200 000 Euro pro Jahr sind Fixkosten. Wer trägt die? Nicht der Senegal, obwohl die Schule dem Ansehen des Landes enorm aufhilft.
Den Großteil der Unterstützung leisteten bisher die Prinz-Claus- und die DOEN-Stiftung aus den Niederlanden. Doch DOEN steigt nach neun Jahren aus, die École des Sables verliert damit auf einen Schlag 100 000 Euro pro Jahr. Nun suchen Vogt und Acogny händeringend nach Ersatz. Bisher erfolglos, und das, obwohl die soziale Komponente in diesem Fall ebenso wichtig ist wie die künstlerische. So können afrikanische Tänzerinnen nur auf der Bühne ausdrücken, wie sie ihre Herkunftsgesellschaften wahrnehmen. Sie brauchen den Rückhalt einer Germaine Acogny, die Unterstützung durch ihren Sohn Patrick, der die pädagogische Leitung innehat. Hinzu kommt: Wer sieht, welchen Anteil afrikanische Choreografen inzwischen an europäischen Festivals und der hiesigen Kreativszene haben, kann nicht bezweifeln, dass es sinnvoll ist, Tanz global zu begreifen und zu unterstützen.
Die École des Sables befruchtet auch Europas Tanzlandschaft. Von dort kommen Choreografen wie Nadia Beugré oder Andreya Ouamba, die derzeit für Furore sorgen. Das Überleben der École des Sables ist umso wichtiger, als auch Irène Tassembedos Tanzschule EDIT in Burkina Faso zu kämpfen hat und derzeit ohne eigene Räumlichkeiten dasteht. Eine stabile Zukunft wäre wie eine Erlösung.

Tanz Dezember 2017
Rubrik: Praxis, Seite 72
von Thomas Hahn
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