Chris Jäger «Daddy Shot My Rabbit»
Am Ende fließt Kunstblut und es fallen Schüsse, aber die Tänzerin mit den süßen, weißen, puscheligen Hasenohren überlebt, genau wie die anderen dieser seltsamen Gemeinschaft, die vielleicht eine Familie ist – Großmutter, Mutter, zwei Kinder. Vielleicht aber auch nicht. Sie scheinen miteinander verbunden, ergehen sich in waghalsig akrobatischen Hebe- und Wurf-Figuren, für die es viel Vertrauen braucht, verharren jedoch zugleich in Isolation und Distanziertheit.
Etwas ist geschehen, aber was und wem? Chris Jäger erzählt von der Wirkung traumatisierender Erlebnisse auch auf diejenigen, die nicht unmittelbar Betroffene gewesen sein mögen. Aber er erzählt in Andeutungen, alle Szenen bleiben interpretierbar, was raffiniert gemacht ist und die Spannung hochhält. Man kann nur erahnen, dass etwas Traumatisierendes geschehen ist, auch die Figuren selbst scheinen dies mehr zu spüren als zu wissen – so zeigt es sich in ihren impulsiven, fast manischen Bewegungen, mit denen sie etwas Unverstandenes umkreisen, vielleicht ein Geheimnis. Und so erbeben, erzittern und erschaudern sie, sind in ruheloser Daueranspannung gefangen, in hektischem Aktionismus, wirken wie fiebrig eingekapselt in nervöser ...
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Tanz Oktober 2023
Rubrik: Kalender, Seite 40
von Frank Schmid
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Toxisch
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