Brief aus Prag
Am Bahnhof vorn am Eingang dreht der chinesische Obstverkäufer jede Erdbeere mit Spitze nach oben wie eine kleine Kanone. Im Postkartenständer prunken Fotos der berühmten Karlsbrücke, die mit vielen Heiligenfiguren bestückt und ansonsten menschenleer ist, beschienen von güldener Sonne. Prag, die Goldene, hat diesen leutelosen Anblick außer am allerfrühesten Morgen nie zu bieten.
Dafür ist die Stadt an der Moldau auf dem neuesten Stand der site-spezifischen Performancekunst: Auf und unter dieser Brücke sucht sie ihr Publikum, die Touristen.
Wir nehmen auf einem Ausflugsschiffchen Platz. Ein Künstler im albernen Matrosenshirt steuert ein paar Meter flussauf- und abwärts, deutet eloquent dreisprachig auf Gebäude und Geschichte. Karl hieß, so erfahren wir, deshalb «der Vierte», weil er vier Frauen hatte, unser Käpt’n heißt Benedikt der Zwölfte. So kichern wir, zwischen Ufer und Ufer, über allerlei billige Machosprüchlein. Der Fremdenführer will Verführer sein – statt auf Steine, schaut auf die Menschen!
Und was treibt sie um, an und weiter, in Prag? Wollte man vom zeitgenössischen Tanz darüber Aufschluss erhalten, etwa bei der diesjährigen tschechischen Tanzplattform, dann wär’s ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
- Alle tanz-Artikel online lesen
- Zugang zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von tanz
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Das könnte Sie auch interessieren:
Brief aus Cali
Brief aus Haifa
«Ist Tanz noch das, was ich will, und wie kann es weitergehen?» Maria Walser – im Ensemble der Tanzcompagnie Oldenburg – begreift ihre Frage als Chance. «Das Suchen dauert doch ein Leben lang.» Mit ihren 25 Jahren hat die intelligente und quirlig kraftvolle, darstellerisch auffallend begabte Tänzerin sich künstlerisch schon innerhalb und außerhalb des Theaters...
Pina und ihr Dramaturg. 1977 habe ich zum ersten Mal ein Stück von Pina gesehen, «Blaubart». Danach kamen ihre «Macbeth»-Paraphrase «Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen» und «Kontakthof». Zu der Zeit schrieb ich viel über Theater und schlug der Zeitschrift «Theater heute» 1979 einen umfangreicheren Text über Pinas Arbeit vor....
Sarah Neef stellt sich die meisten Fragen selbst. Warum muss eine 27-Jährige jetzt schon eine Autobiografie schreiben? Ist die Tänzerin nicht zu jung dafür? Hat das «Wunderkind», das sie ihrer Meinung nach nie gewesen ist, nicht noch was vor sich? Vor allem hat Sarah Neef schon einiges hinter sich. 1981 in Böblingen bei Stuttgart geboren, verliert sie aufgrund...