biarritz: nocturnes, estro
Und plötzlich wird er melancholisch? Ausgerechnet Thierry Malandain, der sonst so kecke, freche, mit sinnlich-erotischer Inspiration spielende Erneuerer stellt im Zweiteiler «Nocturnes» und «Estro» Weltschmerz und die Beziehung zum Tod in den Mittelpunkt. Die beiden neuen Stücke verbreiten keine Jubelstimmung, sind vielmehr durchdrungen von Romantik und Jugenderinnerungen. Chopins «Nocturnes» treffen auf Vivaldis «L’Estro armonico», angereichert mit Passagen aus seinem «Stabat Mater».
Beginn mit Chopin, in nächtlicher Stimmung.
Ein Mondstrahl zerschneidet das Dunkel, durch diese Schneise schiebt sich eine Prozession Vertriebener des Tages, in ausgeblichene Erdtöne gekleidet. So schlägt Malandain den Bogen zu mittelalterlichen Totentänzen, denen er auf Wandmalereien begegnete. Ein solches Bild lässt er nun plastische Gestalt annehmen und versetzt es in Bewegung. Dieses lebendige Relief besteht mal ganz aus Frauen im Unisono, mal scheint ein Paar sich trennen zu müssen.
Tragik liegt in der Luft. Hier mag die Pest ihren Tribut fordern, der Krieg oder die Emigration. Körper und Seelen bleiben durch die Liebe zum Leben verbunden. Hebefiguren, Développés und Fouettés fließen in ...
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Tanz Juni 2015
Rubrik: kalender und kritik, Seite 50
von Thomas Hahn
Das berühmteste Ballett zu Musik von Frédéric Chopin ist sicherlich Fokines «Les Sylphides», auch wenn dafür die zarten Klavierstücke von Alexander Glasunow robust orchestriert wurden. John Neumeiers «Kameliendame» ist ebenfalls eine große Chopiniana, das puristischste Chopin-Ballett ist jedoch Jerome Robbins’ «Dances at a Gathering» von 1969 – dem zur Musik des...
ist das Wort des Monats, erfunden vom Berliner-Ensemble-Chef Claus Peymann. Für die einen klingt Eventbude wie eine liebevolle, volksnahe Bezeichnung des Theaters, andere assoziieren damit den blanken Horror für die Kunst. Wie schon vor 200 Jahren. Damals ging es um die Pariser Ballhäuser. Für die einen taugten deren harte Bretter als Tanzschule der Nation, andere...
Als sechsjähriges Wunderkind entzückt das Wolferl noch die kaiserliche Familie. Als ausgewachsener Mozart jedoch will ihm die Bindung an den Toparbeitgeber der Zeit nicht wirklich glücken, statt des Adels begeistert sich das Volk für ihn. Wie Mozarts Musik sollte auch das Ballett einst die Aristokratie amüsieren, präsentierte aber eine Welt sozialer, moralischer,...