Radikal anders
Ungenaue Fragen mag Yvonne Rainer nicht. Als ich sie in einem Interview am 25. August 2000 – sie war beim Berliner Festival «Tanz im August» zu Gast – darauf ansprach, dass eine Ballettchefin ihre choreografische Arbeit damals als «gehen und laufen» bagatellisierte (bitte, wofür dann virtuose Balletttänzer?), korrigierte sie mich. Tänzer-Choreografen, verwurzelt im revolutionären Judson Dance Theater, waren eingeladen, Arbeiten für eine Ballettkompanie zu entwickeln: Steve Paxton hätte ein «Walking Piece» und sie «Running Dance» vorgeschlagen.
Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre stießen in New York, diesem Melting Pot der Künste, zwei Welten aufeinander: eine gepflegte, vom Publikum beklatschte Kunst und eine ungewohnte, das Publikum verstörende. Bezugspunkt für die Himmelsstürmer war John Cage, der mithilfe des Zufalls, der Meditation (Zen) komponierte und auch nicht vor der Stille zurückschreckte. Tänzer entdeckten «pedestrial movements» als Material – im Studio oder gleich auf der Straße, in Alltagskleidung wie zufällig unter die Passanten geraten. Die bunt zusammengewürfelte Schar der Bewegungsforscher liest sich heute wie ein Who’s Who der amerikanischen Avantgarde: ...
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Tanz November 2024
Rubrik: Menschen, Seite 20
von Claudia Henne
Unter Spiegelneuronen versteht man Regionen im Gehirn, die dazu verleiten, beobachtetes Verhalten zu imitieren. Beispiel: Das Gegenüber lacht, und man lacht instinktiv mit. Oder: der Drang zu gähnen, wenn das Gegenüber gähnt. Stefan Kaegi, als Teil des Regiekollektivs Rimini Protokoll ein Pionier dokumentarischer Theaterformen, wendet diese Erkenntnis aus der...
«Schwanensee kennt jeder» – ja, aber nicht so! Roberto Scafati hat am Theater Trier eine neue, ungemein fesselnde Sicht auf den Klassiker entwickelt. Statt zwischen Märchenwelt und rauschenden höfischen Festen zu pendeln, erzählt er die Geschichte von Siegfried und Odette ganz ohne Tutu und Spitzentanz als «Coming of Age»-Story. Ein subtiles Kammerspiel, für das...
Akram Khan ist zurück auf der Bühne! So lautete die Sensationsmeldung zu «Gigenis». Und Alistair Spalding, der Leiter des Sadler’s Wells, das Khan als Associated Artist führt, war extra zur Uraufführung ins Grand Théâtre von Aix-en-Provence gekommen, um sich anzuschauen, womit sein Schützling aufwarten würde. Er schaute: die Rückkehr von Khan, nicht nur als Tänzer,...