Hoheitsgebiet
«Machen = Machtlos» heißt die letzte Choreografie, die Gerhard Bohner am Staatstheater Darmstadt realisiert hat. Bohner hatte sich geweigert, vor dem Ende seiner Zeit als Leiter des Tanztheaters ein weiteres Stück herauszubringen. Was zu einer fristlosen Kündigung führte – mit der Aussicht auf Rücknahme, wenn er innerhalb von vier Wochen ein neues Stück machen würde. Er machte eines, ohne einen einzigen neuen Schritt. Und verteilte am Ende ein Flugblatt, auf dem stand, wie es zu dem Stück gekommen war. Daraufhin erhielt Bohner Hausverbot.
Das war 1975, als der Tanz an den städtischen und staatlichen Theatern in Westdeutschland neue Modelle von Mitbestimmung, künstlerischer Forschung und radikaler Ästhetik versuchte. Der Titel der Produktion reflektierte zugleich die Rahmenbedingungen des zeitgenössischen Tanzes in den Theaterstrukturen, die sich bis heute nicht wirklich verändert haben: Tanz markiert das untere Ende der Hierarchien von Opern-, Orchester- und Theater-Betrieb. Die wenigen Ausnahmen, etwa John Neumeiers Hamburg Ballett, wurden über Jahrzehnte durch das Lebenswerk von Choreografen und Choreografinnen behauptet.
Zeitgenössischer Tanz in den letzten fünfzig Jahren war ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
- Alle tanz-Artikel online lesen
- Zugang zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von tanz
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Tanz Jahrbuch 2024
Rubrik: Macht, Seite 66
von Johannes Odenthal
«Der Sturm» ist Shakespeares letztes Werk. Damit verabschiedete sich der große Dichter, gänzlich abgeklärt, von der Bühne. «I‘ll break my staff», lässt er sein mutmaßliches Alter Ego Prospero am Ende resigniert sagen, wenn der seinen Zauberstab zerbricht. Der Magier verzeiht seinen Feinden, befriedet die Welt, dann wählt er den «exit above» – so die Regieanweisung...
Braucht Tanz einen Kanon? Gibt es ihn? Und wenn ja: Wie gehen wir damit um? «Jeder Kanon entsteht mit einem Trennungsstrich. Er erzeugt unweigerlich eine Dialektik zwischen dem, was hineinkommt und dem, was draußen bleibt», so der Soziologe Alois Hahn. Die Archivierung von Performance, von Events und Zeitkünsten ist eine besondere Herausforderung, denn sie wirft...
Dagmar Birke, Sie sind Coach und werden gerufen, wenn Systeme entgleisen, Konflikte sich nicht mehr unter den Tisch kehren lassen. Was ist bis dahin passiert?
Meistens werde ich sehr spät kontaktiert, denn egal ob im Theater oder in der Industrie – es gibt immer sehr viele Strategien, die wir in Anschlag bringen, die wir kennen und das geht bis zu «…war da was?»...