Shahar Binyamini «MORE THAN»
Der Mensch als Material, wie ein Klumpen Lehm oder Ton. Wer ist es, der ihn knautscht, an ihm zupft, ihn streichelt, haut, zerteilt? Das fragt Shahar Binyaminis «More than». So wie das Vergleichswort im Titel fehlt, grundiert Unvollständigsein die anregende Choreografie: etwas zu tun oder zu sein, aber nur fast. Nie fertig. Zu Beginn des Stückes, das in Bonn im Rahmen der Gastspielreihe «Highlights des internationalen Tanzes» Deutschlandpremiere feierte, zieht ein Wesen über die Bühne. Drückt sich vorwärts, gehüllt in einen Stoff wie in eine riesige Nylonstrumpfhose.
Es beult ihn hier und lässt ihn dort lose, drängt und dreht sich, ein geduckter Tänzer hinter ihm strafft und rafft die formsuchende Haut. Später sind es fünf Tänzerinnen und Tänzer, die den sechsten umhüllen, ihn drücken, ziehen und sich von ihm ziehen lassen. Zum Material werden, zum Handhabbaren, Dehnbaren: Das spielt Binyamini auch in den Duetten durch, die er zwischen Gruppen- und Soloszenen platziert oder auch mal gleichzeitig auf die Bühne setzt.
Gefühl ist hier nicht Emotion, sondern der Sinn des Berührens, der Nähe, des Aneinanders. Dies wirkt mal spielerisch und neckisch, mal neugierig oder lusterregt. Auch ...
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Tanz Juni 2024
Rubrik: Kalender, Seite 36
von Melanie Suchy
Die Welt ist in Aufruhr. Russland hat die Ukraine mit Krieg überzogen, seitdem herrscht Eiszeit mit Europa. Die USA fürchten eine Wiederwahl Donald Trumps. Die Konflikte im Nahen Osten scheinen kein Ende zu nehmen. Die politischen Unruhen tangieren auch die Kunst- und Kulturszene. Sie spalten, erzeugen erbitterte Diskussionen, fordern Institutionen und...
Programmhefte nehmen den Mund oft ziemlich voll. Sie vor der Vorstellung zu lesen, ist nicht immer eine gute Idee. Der Tanzabend «Dwa – Zwei», dessen mehrsprachiger Titel daher rührt, dass sich das Theater Osnabrück in dieser Spielzeit dem «Partnerland» Polen widmet, ist ein Beweis dafür. Das Heft verheißt, dass es in Maciej Kuźmińskis Choreografie «Beginningend»...
Wie würde er wohl die Lage beurteilen? Und wem in gewohnter Schärfe die Leviten lesen? Ralph Giordano gehörte zu den streitbarsten Intellektuellen der Bundesrepublik. 1923 als Sohn einer jüdischen Mutter in Hamburg geboren und schon als Zehnjähriger mit dem Vernichtungsfuror des Dritten Reichs konfrontiert, überlebte er in seiner Heimatstadt und wurde nach 1945...