Durch die Nacht
«Ich bin der nette Onkel», lächelt der ältere Herr, «und ich bringe Kaffee und Süßigkeiten.» «Nimm nichts von Fremden!», das hat man schon häufig gehört, aber man sitzt seit mehreren Stunden im Zug, man ist kurz vor Dresden, man braucht jetzt einen Kaffee. Und der nette Onkel ist auch gar nicht so nett, dass er einem den Kaffee schenken würde, man muss für das Getränk bezahlen, und zwar gar nicht mal so wenig. Der Kaffee schmeckt nicht besonders.
Als reisender Kritiker kann man viele Geschichten vom Bahnfahren erzählen.
Und die Leute lieben Geschichten vom Bahnfahren, weil diese Geschichten sie bei der eigenen Erfahrung abholen: wie man einmal nachts in Rothenburg an der Wümme feststeckte, weil der Zug einfach nicht weiterfuhr. Wie man den Anschluss verpasst hatte, wegen «verspätetem Personal aus einem anderen Zug». Wie der Zug ohne anzuhalten am Bahnhof Lüneburg vorbeifuhr, und, haha, wie die Fahrgäste am Bahnsteig geschaut haben! Wie bestellt und nicht abgeholt! Wer von Bahnreisen erzählt, erzählt Horrorgeschichten, weil sich der Horror, der einem auf den Schienen begegnet, tiefer einprägt. «Der Zug war pünktlich, ich kam noch rechtzeitig zur Premiere nach Regensburg» – das ist ...
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Tanz Oktober 2023
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Falk Schreiber
Sie kommen aus Abidjan, aus Brüssel oder Brasilien. Tagsüber arbeiten sie in Haar- oder Beautysalons, nachts verwandeln sie sich in tanzende Hermaphroditen, Aphroditen oder Afro-Furien. Nadia Beugré, die in Montpellier und Abidjan lebt, ist ihnen dort oder in Brüssel begegnet, vor allem aber in einer Bar in Abidjan. War begeistert von ihrem Witz, ihrem Talent und...
Donnernd statt mit den lieblich einschmeichelnden Orchesterklängen eines Léo Delibes beginnt der Abend am Theater Altenburg-Gera: ein Anfang mit Signalwirkung, der sofort ahnen lässt, dass Silvana Schröder das Ballet comique aus dem Jahr 1870 nicht nach Maßgabe des Librettisten Charles Nuitter erzählen wird. Schröders «Coppélia» ist ein humanoider Roboter, dem...
Das Jahrbuch tanz
Schicksalsjahr für den Tanz: 1973 stirbt der Choreograf John Cranko, Spiritus rector des Stuttgarter Ballettwunders, während Pina Bausch und John Neumeier in ihre immens erfolgreichen Direktionen starten. Was war, was ist, was wird? Danach fragen wir im Jahrbuch «Cranko, Bausch, Neumeier» Künstler*innen, Zeitzeug*innen – und Junior*innen. Und...